Die Station am Hauptbahnhof ist Anlaufstelle für Menschen aus der Stadt. Reisende finden nur noch selten den Weg dorthin. Martina Scheer und ihr Team kümmern sich um alltägliche Probleme. Aber: Wer ein christliches Gespräch wünscht, bekommt es.
Es sind kaum Reisende, die bei der Bahnhofsmission anklopfen. Es sind meist Menschen aus der Stadt, Menschen, die immer wieder kommen – auf einen Kaffee, ein Gespräch, Hilfe suchend. Es sind Wohnungslose, Rentner mit kleinem Budget, Hartz-IV-Empfänger, Schüler, Frauen mit häuslichen Problemen, Süchtige. Für alle hat Martina Scheer vor allem eins: Zeit zuzuhören.
Seit sieben Jahren arbeitet sie als einer der „blauen Engel”. Was ehrenamtlich begann, ist zu einem Vollzeitjob für die 47-Jährige geworden. „Das hätte ich nie gedacht”, sagt die Leiterin der Mission am Hauptbahnhof in Bochum und fügt gleich an: „Diese Arbeit aufzugeben, kann ich mir nicht vorstellen.”
Bahnhofsmission. Mit missionarischer Arbeit, also der Verbreitung des christlichen Glaubens, hat dieser Ort nichts zu tun. „Natürlich handeln wir nach Gottes Willen, doch zwingen wir niemandem unseren Glauben auf. Aber wer ein christliches Gespräch wünscht, bekommt es. Manchmal möchte jemand einen Bibelvers hören oder fragt, ob es Sünde ist, dies oder jenes zu tun”, erzählt Martina Scheer, die eine seelsorgerische Ausbildung und eine Bibelschule absolviert hat. „Wir sind Kirche im Bahnhof”, sagt sie. Zwei Holzkreuze an den Wänden der Mission deuten auf einen christlichen Ort hin. „Die habe ich aufgehängt. Jeder soll wissen, wo er hinein geht.”
„Hierher kann kommen wer will, und keiner wird blöd angemacht”, sagt Martina Scheer. Es sind ganz alltägliche Probleme um die sich gemeinsam mit einer zweiten hauptberuflichen Mitarbeiterin, 19 ehrenamtlichen Helferinnen und drei Helfern kümmert. „Wir sind die erste Anlaufstelle für diejenigen, die sich im Netz der sozialen Hilfeleistungen nicht auskennen und die letzte Anlaufstelle für die, die durchgefallen sind”, umschreibt sie die Arbeit.
Die Bahnhofsmission ist keine Therapiestation, sondern eine Erste-Hilfe-Einrichtung. „Wir helfen unbürokratisch, ohne Termin und überweisen an die richtige Adresse”, erklärt die Leiterin. „Oftmals reicht es den Menschen schon, wenn sie ihre Sorgen und Nöte erzählen können, wenn einfach jemand zuhört.” Nicht selten kommen die Dauergäste auch nur, um sich mit anderen zu treffen, um dem Alleinsein zu entfliehen. Scheer: „Das sind oft ältere Frauen. Und während der Weihnachtszeit ist der Andrang besonders groß.”
Die Bahnhofsmission mit einer Kaffeestube gleichzusetzen, sei indes falsch. Scheer: „Die Tasse Kaffee baut die Hemmschwelle ab. Denn wer kommt schon und sagt, ich brauch' da mal ein Gespräch. Über den Kaffee kommen wir ins Reden, und das ist gut so.”
Doch es gibt nicht nur den Dienst in der Mission, sondern auch den auf dem Bahnsteig. Dort sind es in der Regel „handgreifliche” Hilfestellungen. Da wird einer alten Dame in den Zug geholfen, ein Rollstuhlfahrer beim Umsteigen begleitet, eine Mutter mit Kinderwagen und Kleinkind an der Hand unterstützt, ein Blinder zum richtigen Gleis geführt. Reisehilfen nennen die „blauen Engel” das. Die aber machen nur noch einen ganz kleinen Teil der Arbeit aus.
Und schließlich gibt es noch einen dritten Aspekt: Wer sich als Ehrenamtler bei der Bahnhofsmission meldet, sucht oft selbst soziale Kontakte, eine Arbeit im Team, mit anderen für andere Menschen.