Bochum. Die Tat hat Mitte April für Entsetzen gesorgt: Ein 33-Jähriger soll seinen Onkel (76) nach einem Streit in Bochum mit mehr als 60 Messerstichen getötet haben. Jetzt kommt heraus: Wenige Stunden zuvor hatte der mutmaßliche Täter Hilfe in einer neurologischen Klinik gesucht. Die empfahl ihm, eine Psychiatrie aufzusuchen.
Es war eine brutale Tat: Mit einem Messer soll ein 33-Jähriger am 15. April nach einem Streit auf seinen Onkel in Bochum-Linden losgegangen sein. Die Klinge traf unter anderem den Rücken, den Bauch und die Brust des 76-Jährigen. Mehr als 60 Stiche stellte die Rechtsmedizin später fest. Für den Rentner kam jede Hilfe zu spät, er verblutete auf offener Straße.
Dringend tatverdächtig: der Neffe des Opfers. Er flüchtete zunächst, konnte aber von der Polizei festgenommen werden. Seitdem sitzt er in U-Haft. Ermittelt wird wegen Mordverdachts.
Hilfegesuch in neurologischer Ambulanz
Jetzt meldet sich der Verteidiger des mutmaßlichen Mörders zu Wort: "Diese schlimme Tat wäre vermeidbar gewesen", sagte der Rechtsanwalt gegenüber der Bild-Zeitung. Sein Mandant habe am Tattag "mehrfach um Hilfe gefleht, wollte ins Krankenhaus, weil er merkte, mit ihm stimmt was nicht". Im St. Josef-Hospital Bochum sei sein Hilfegesuch jedoch auf taube Ohren gestoßen.
Eine Aussage, die Prof. Dr. Peter Altmeyer, ärztlicher Geschäftsführer des Klinikums, auf Nachfrage entschieden zurückweist. Er schildert die Ereignisse so: Der 33-Jährige sei am frühen Nachmittag des 15. April, also wenige Stunden vor der Tat, mit neurologischen Symptomen - unter anderem Seh- und Gleichgewichtsstörungen - in das Klinikum gekommen. Aber von "um Hilfe gefleht" oder mangelnder Sorgfalt könne keineswegs die Rede sein.
Patient wurde intensiv untersucht
In der Notaufnahme sei der Patient "von einer neurologischen Kollegin mit jahrelanger Erfahrung sehr intensiv untersucht" worden, um zu überprüfen, ob eine stationäre Aufnahme in die Klinik erforderlich sei. Da die Beschwerden des Mannes jedoch nicht auf eine neurologische, sondern eine psychische Erkrankung schließen ließen, habe die Ässistenzärztin ihm in Rücksprache mit einem Oberarzt empfohlen, sich in einer 500 Meter entfernten psychiatrischen Klinik vorzustellen. "Ein psychiatrischer Fall gehört in die Psychiatrie, nicht in die Neurologie", erklärt Altmeyer. Für den Weg dorthin habe man dem Patienten auch einen Krankenwagen angeboten. "Das hat er abgelehnt." Eine Zwangseinweisung sei nicht erforderlich gewesen, betont der Klinik-Direktor: "Der Patient war nicht auffällig, das war vollkommen unproblematisch."
Dass der Mann Stunden später zum mutmaßlichen Mörder wurde, habe niemand ahnen können. Nach Einschätzung der Ärzte habe "keine Gefahr für ihn selbst oder die Umwelt bestanden". Die Klinik, betont Altmeyer, habe in diesem Fall keinen Fehler gemacht.