Den Temperaturen nach könnte das ein Weihnachtsmarkt sein, aber keine Osterkirmes. Der eisige Wind, der den Kirmesbesuchern an der Castroper Straße den Staub des trockenen Platzes in die Augen bläst, passt eher zum Dezember.
Vielleicht ist das Winterwetter der Grund dafür, dass wenige Gäste sich tröpfchenweise über die Kirmes verteilen und der dichte Besucherstrom an diesem Dienstagmittag ausbleibt. „Jetzt schnell ein Ticket lösen, es sind noch Plätze frei“, dröhnt die gepresste und näselnde Stimme einer Schaustellerin aus den Lautsprechern an ihrem Karussell. Plätze sind wirklich noch genug frei - und zwar alle. Umsatz können Schausteller so nicht machen.
Also fahren die Gondeln alleine los, mit Musik in Discolautstärke. Es sind nicht die einzigen. Einige Meter weiter dreht die Raupe einsam ihre immer schnelleren Runden. Die Wagen eines anderen Fahrgeschäfts poltern leer um gleich mehrere Achsen. Es hat etwas Traurig-Rührendes, mit welchem Ehrgeiz ihre Besitzer versuchen, Fahrgäste zu locken. Selbst wenn sie alle Menschen in ihrem Umkreis mit ihren Rufen erreichen würden, blieben einige Sitze frei.
„Im Moment läuft es nicht so gut, am Ostermontag war es etwas besser“, sagt Michael Kuhnert, der ein Karussell betreibt. „Insgesamt läuft es aber eher schleppend. An anderen Standorten ist es besser.“ Woran das liegt? Kuhnert, der mit seiner Attraktion über die Kirmesplätze der Republik tourt, kann sich das auch nicht erklären.
Auch Traugott Petter beobachtet einen Rückgang bei den Besucherzahlen. „Am Ostermontag waren geschätzte 1000 bis 1500 Menschen da. Das ist wenig. Früher waren es bestimmt 20 000 bis 30 000 “, erinnert sich Petter, der seit Jahrzehnten einen Autoscooter betreibt. „Die Zukunft für diesen Platz gebe ich dennoch nicht auf, obwohl er nur zur Hälfte besetzt ist.“ Er hofft, dass am Familientag, am heutigen Mittwoch, Besucherscharen kommen.
Hört man sich bei den älteren Bochumern nach ihrer Meinung zur Traditionsveranstaltung um, bekommt man öfters offen eine eindeutige Antwort. „Beschissen“, findet der ältere Herr, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, den Jahrmarkt mittlerweile. „Ich kenn‘ das noch von früher. Da war es brechend voll. Es gab viel mehr Buden. Jetzt ist die Kirmes nur noch mickrig. Das ist nur noch eine Straße“, merkt er mit einer Mischung aus Ärger und nostalgischem Bedauern an, während seine Enkelin sich auf einer Schaukel vergnügt und den Gram in diesem Moment vermutlich nicht teilen würde.
Bis Sonntag läuft die Kirmes, jeweils von 14 bis 21 Uhr. Beim heutigen Familientag gibt es an vielen Ständen Vergünstigungen.