Shakespeare unter Starkstrom: Die mit Spannung erwartete Premiere von „Hamlet“ geriet am Samstagabend im Großen Haus zu einem virtuosen Regie-Rundumschlag, der laut, schockierend, aber auch mit anrührenden Momenten rüberkam (Eine Besprechung lesen Sie auf der Kultur-Seite im WAZ-Hauptteil).

Nach über drei Stunden feierte das Publikum im nicht ganz ausverkauften Haus mit standing ovations das Ensemble mit Dimitrij Schaad als primus inter pares in der Titelrolle, aber auch Jan Klata, den Gastregisseur, der mit „Hamlet“ bereits seine dritte Bochumer Theaterprobe ablieferte.

„Hamlet“ ist dabei das erste Stück, das der Pole, der zum Jahresbeginn künstlerischer Leiter am Stary Teatre Kraków wurde, zum zweiten Mal inszeniert. Sein erster „Hamlet“ spielte in der ehemaligen Leninwerft in Danzig; jenem Ort, an dem 1980 unter Führung Lech Wałęsas die Revolution gegen die kommunistischen Herrscher Polens begann, die schließlich zum politischen Umbruch führten.

Nun hatte er seinen „polnischen“ Hamlet (Marcin Czarnik) mitgebracht und ließ ihn den Geist von Hamlets Vater spielen, aber auch den Norweger Fortinbras. Seine „Klage auf Hamlet“ sprach der vorgebliche Norweger aber auf Polnisch (übersetzt von „Horatio“ Martin Bretschneider) – ein rätselhafter Epilog, den viele als überflüssig und aufgesetzt empfanden.

Die Bühne (Bartholomäus M. Kleppek) ist eine abschüssige Rampe, über die die Figuren und ihre Hoffnungen immer wieder abstürzen. Große Spiegelflächen liefern irritierende Vexierbilder des Geschehens, ein Wust an Büchern symbolisiert die -zigtausend Veröffentlichungen und Meinungen, die in 600 Jahren Entstehungsgeschichte zu „Hamlet“ veröffentlich wurden. Und die am Ende doch nur „Worte, Worte, Worte“ sind, wie Hamlet an einer Stelle bemerkt.

Das starke Ensemble spielt groß auf, Bettina Engelhardt als verführerische Königin Gertrud, Andreas Grothgar als polternd-machtgeiler Claudius, Jürgen Hartmann als anbiedernder Polonius, Ronny Miersch als rachetrunkener Laertes und Martin Bretschneider, sehr zurückgenommen, als Hamlets Freund Horatio. Wirklich anrührend ist Xenia Snagowskis Ophelia, die, von Hamlet verstoßen, im Wahnsinn endet, und die vor ihrem Ableben einen moribunden Totentanz „auf Spitze“ hinlegt.

Durchweg komisch gestimmt sind hingegen Roland Riebeling und Nicola Mastroberardino als Rosenkranz und Güldenstern; zwei Rollen, die den beiden Erzkomödianten ebenso liegen wie die skurrilen Totengräber, als die sie später in der berühmten Friedhofsszene auftauchen.