„Soll ich das wirklich machen?“ Das hat sich Frauke Schnittker nicht nur einmal im Frühsommer 2012 gefragt – und den Sprung dann doch gewagt. Sie hat das Jobangebot von Volkswagen de México angenommen und ist im September in die zentralmexikanische Stadt Puebla gezogen, um im VW-Werk den mexikanischen Angestellten Deutschunterricht zu geben.

„In Deutschland war alles so festgefahren, ich wusste nicht genau, was ich nach dem Studium machen soll und habe viele Horrorgeschichten von anderen Studierenden gehört, die einfach keinen Job bekommen haben“, erzählt die ehemalige RUB-Studentin. Sie hatte während des Studiums der Anglistik und Germanistik etliche Nebenjobs in den verschiedensten Branchen. Was sie nach dem Studium machen wollte, wusste sie indes nicht so genau. „Für mich war es nur wichtig, noch etwas anderes als Bochum zu sehen. Ich liebe Irland und aus diesem Grund hätte ich mir jederzeit vorstellen können, in dieser Region zu arbeiten und zu leben“, erläutert die 32-Jährige.

Ein turbulenter Sommer

Mit Mexiko hat sie nicht gerechnet. Über eine Freundin bekam sie Kontakt zu VW und bewarb sich. Nach einem Bewerbungsgespräch über das Internet bekam sie den Job. „Mit der Zusage kam die Panik: Was ist mit meiner Familie, meinen Freunden? Kann ich einfach alles aufgeben und was muss ich alles beachten?“, erinnert sich Schnittker. Für sie wurde der Sommer eine turbulente Zeit: Spanisch lernen, Visum beantragen, impfen und den eigenen Haushalt auflösen.

„Die ersten Wochen in Puebla sind irgendwie an mir vorbeigezogen. Man ist noch gar nicht richtig angekommen und hier in Mexiko ist dann auch alles erst einmal chaotisch verlaufen“, berichtet sie und erinnert sich an etliche Busfahrten und Ausflüge, von denen sie nur mit einheimischer Hilfe nach Hause gekommen ist. „Am Anfang bin ich sogar mit dem Fahrrad über die Autobahn gefahren, weil ich ein Handy kaufen musste. Das ist gefährlich und verboten, aber die Mexikaner machen das teilweise auch.“

Das VW-Werk in Puebla besteht seit 1964 und hat über 18 000 Mitarbeiter, davon rund 100 Ausländer. „Ein alter Freund aus Jugendzeiten hat mir in einer E-Mail geschrieben, dass er in Mexiko arbeitet – bei VW in Puebla. Ich war baff, wie klein die Welt sein kann“, lacht Schnittker. Während die ausländischen Mitarbeiter am Volkswagen-Institut Spanisch lernen können, lernen Spanier und Mexikaner bei Frauke Schnittker und anderen Mitarbeitern Deutsch, um die Kommunikation mit Deutschland zu erleichtern oder um hier zu arbeiten.

Ihre Stelle als Deutschlehrerin ist unbefristet. Umgerechnet bekommt sie rund 800 Euro im Monat. „Das klingt nach wenig, aber man kann davon leben.“ Für sie steht noch nicht fest, wie lange sie in Mexiko bleibt. „Mir macht das Unterrichten hier sehr viel Spaß. Aber es gibt so viele interessante Länder und Städte. Bis zum September 2013 läuft das Studium „Deutsch als Fremdsprache“ am Goethe-Institut noch, das ich nebenbei absolviere. Danach sehe ich weiter“, so die Auswanderin.

Auf die ersten vier Monate blickt sie mit gemischten Gefühlen zurück: „Es ist eine tolle Erfahrung, hier zu leben und zu arbeiten und sicher hilfreich für die Karriere, aber es ist auch sehr hart, seine Familie und Freunde zurückzulassen und in ein Land zu ziehen, in dem so vieles ganz anders ist. Man muss sich wirklich durchbeißen und braucht viel Kraft. Vieles funktioniert ganz anders. Da kann es dir auch passieren, dass du morgens den Bürgersteig entlang gehst und vor dir ein Mann sein Schwein schlachtet.“