Stumm verlässt er den Gerichtssaal, geht hinaus auf den Hof und zündet sich eine Zigarette an. Wut und Fassungslosigkeit überkommen Dirk Wehner, wie so oft. „Der Trainer hatte sich das Vertrauen der Familie erschlichen, bevor er den elfjährigen Jungen ein Dutzend Mal sexuell missbraucht haben soll.“ Seine Stimme bleibt ruhig, er bläst den blauen Dunst in die kühle Luft. Seine Gefühle unterdrückt der 52-Jährige. „Sie helfen mir nicht - im Gegenteil.“

Dirk Wehner und seine Kollegen von „Biker gegen Kinderpornografie & Missbrauch“ (B.A.C.A.A.) sind deutschlandweit aktiv, nicht nur in den Gerichtssälen des Landes. Unschwer zu erkennen an der schwarzen Motorradjacke, bedruckt mit der Faust. „Brecht die Mauer des Schweigens“, das ist ihr Slogan.

Wehner begleitet derzeit am Bochumer Landgericht die Mutter des Jungen, sie bat ihn um Hilfe. Die Frau kam auf ihn zu, erzählte eine Geschichte, eine Story, wie er sie schon oft gehört hatte. „Dieses Mal war es wieder besonders schlimm.“ Die Mutter krebskrank, der Vater der Kinder hatte sich längst aus dem Staub gemacht, Geldsorgen spielten eine Rolle, als der vermeintlich so hilfsbereite Trainer der Frau anbot, auf ihren Sohn aufzupassen. Es kam wohl, einmal mehr, ganz anders.

Dirk Wehner und seine Kollegen sammeln Spenden, versuchen soweit es geht, finanzielle Nöte zu überbrücken. Der Verein erledigt Behördengänge, der Hauptauftrag aber lautet Vermitteln. „Wir sind keine Therapeuten, nicht die Polizei, niemand muss uns seine Geschichte erzählen, wenn er nicht möchte.“ Vielmehr verfügt der Verein über ein gut funktionierendes Netzwerk, auf das er zurückgreifen kann, wenn die Opfer oder das Umfeld der Betroffenen auf ihn zukommen. „Es sind so viele Familien, die nach einem Missbrauch zerbrechen“, weiß der Bochumer. Meist wenden sich die Freunde dann noch ab. „Das Thema ist vielen zu schmuddelig, sie wollen damit nichts zu tun haben.“

So bleibt den Opfern neben der seelischen und körperlichen Grausamkeit, die sie durchleiden mussten, nicht einmal mehr der soziale Kontakt zum „normalen“ Umfeld. Genau hier versucht Dirk Wehner anzusetzen. Gleichwohl betont das Mitglied: „Es ist nicht immer einfach, im Dreck zu wühlen, man muss sich hin und wieder eine Auszeit nehmen.“ Bei seiner Arbeit stößt der Vater eines Sohnes nicht nur auf verständnisvolle Zeitgenossen. „Wer gegen Pädophile kämpft, hat nicht nur Freunde.“ Zu gut sind die Täter dank Internet miteinander vernetzt, suchen dort ihre Schlupflöcher. Oftmals empfängt er Mails, in denen steht: „Die jungen Dinger sind doch selbst schuld, wenn sie sich so anziehen – die wollen es doch nicht anders.“ Posteingänge, bei denen selbst Hartgesottene Mühe haben, die Fassung zu wahren, die so wichtig ist in dem Job. Genau deshalb macht er weiter, ehrenamtlich, wie alle im Verein: mit Informationsständen, Prozessbesuchen – und dem Sammeln von Spenden.

Dem jüngsten Opfer schenkte der Verein ein neues Paar Fußballschuhe, das ihm seine Mutter unmöglich hätte kaufen können. „Der Kurze weinte vor Freude,“

Die Arbeit hatte sich wieder gelohnt.