Bochum. . Julia I. leidet seit zwölf Jahren an Depressionen. Dass die 34-Jährige ihre Krankheit inzwischen gut im Griff hat verdankt sie den Ärzten des LWL-Klinikums – und einem Theaterprojekt, das so erfolgreich und außergewöhnlich ist, dass es jetzt mit dem „Anti-Stigma-Preis“ ausgezeichnet wurde.

Klappse, Irrenanstalt, Ballerburg: Die Umgangssprache verrät, wie es um die Wertschätzung psychiatrischer Einrichtungen bestellt ist. Wer seelisch krank ist, wird vielfach gebrandmarkt, ausgegrenzt, geächtet. Patienten verlieren jegliches Selbstwertgefühl, ducken sich weg, scheuen die Öffentlichkeit.

Das LWL-Klinikum stemmt sich dagegen – und bedient sich der Mittel des Schauspiels. Psychisch Kranke werden aus dem Dunkel ins Scheinwerferlicht geholt. Auf der Bühne zeigen sie, welch hohes Maß an Kreativität und Kraft in ihnen wohnt: Theater als Therapie.

Theater der Psychiatrie

Regie führten die damalige LWL-Oberärztin Dr. Silke Echterhoff und die Schauspielhaus-Theaterpädagogin Sandra Anklam. 2009 gründeten sie das „Theater in der Psychiatrie“. Patienten und Klinikmitarbeitern wird gemeinsam die Bühne bereitet. „Was wäre wenn...“ hieß die erste Eigenproduktion, die 2010 im Melanchtonsaal eine weithin beachtete Premiere feierte.

„Anfangs war ich skeptisch“, gesteht Prof. Dr. Georg Juckel. Doch längst ist auch der Ärztliche Direktor des Universitätsklinikums überzeugt vom therapeutischen Nutzen der zwölf- bis 14-köpfigen Schauspielgruppe, die einmal pro Woche im Gymnastikraum probt. Von Anfang an dabei: Klinikseelsorger Thomas Klare, der weiß: „Krank und gesund spielen bei uns keine Rolle mehr. Man hält und bestärkt sich gegenseitig.“ Ärztin und Hobby-Mimin Dr. Idun Uhl bestätigt: „Die allermeisten Patienten halten durch. Krisen werden gemeistert.“ Die erkrankten Menschen erfahren Anerkennung, Respekt. „Sie erleben wieder: Ich kann etwas!“

Bisher gingen drei Stücke über die Bühne: zuletzt im Frühjahr „Schau, da geht die Sonne unter“ von Sibylle Berg. Alle Vorstellungen waren ausverkauft. Die Proben für „Balkonszenen“ von John von Düffel haben begonnen. Premiere ist im März im Schauspielhaus. Klar, dass Julia I. wieder dabei ist. Gerüchte besagen, dass auch Prof. Juckel eine Rolle übernimmt.

Der „Anti-Stigma-Preis“ wird von der Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie verliehen. Er würdigt das Engagement für psychisch erkrankte Menschen.

Die Auszeichnung ist mit 5000 Euro dotiert. Die LWL-Theatergruppe als einer von drei Preisträgern erhält 1000 Euro für ihre weitere Integrationsarbeit.