Bochum.
Im kargen Ambiente des Theatesr Unten überzeugt Roland Riebeling mit einer kongenialen Aneignung von Patrick Süskinds Dauerbrenner „Der Kontrabass“.
Er hasst die Musik von Richard Wagner, hält Mozart nicht unbedingt für einen wirklich großen Komponisten, unterschlägt aus Rache auch schon mal ein paar Noten, findet Dirigenten überflüssig und hält sein Instrument, den Kontrabass, überhaupt für das wichtigste im Orchester.
Schade nur, dass das alles außer diesem am dritten Pult hinten im Orchestergraben vor sich hinstreichenden 35-jährigen „Tutti-Schweins“ niemanden interessiert – schon gar nicht die zehn Jahre jüngere Sopranistin („Mezzosopranistin!“) Sarah, die dem frustrierten Bassisten in nicht erwiderten Liebe so gar nicht verbunden ist...
Viel Bier im Kühlschrank
Das ist in etwa der Plot von Patrick Süskinds 1982 uraufgeführtem, bis heute immer wieder gespielten Einakters „Der Kontrabass“. Im Theater Unten hat Ensemblemitglied Roland Riebeling diesen grotesk-komischen Monolog eines an der Welt verzweifelnden Orchesterbeamten jetzt neu auf die Bühne gestellt. Im kargen Ambiente der Kellerbühne – ein Schauspieler, ein Kontrabass, ein Kühlschrank mit viel Bier drinnen – macht sich Riebeling während kurzweiliger 80 Minuten auf zum Parforce-Ritt durch menschliche Abgründe.
Dabei zeigt Riebeling den von Süskind namenlos gelassenen, engstirnigen Kulturbeamten nicht ironisch gebrochen, vielmehr lässt er dessen teils absurde, teil anrührende Wortkaskaden sozusagen aus dessen Innensicht heraus sich übers Publikum ergießen. Man hat das Stück schon grell überzeichnet mit einem Orchester-Motzki zuförderst als komische Figur gesehen. Anders Riebeling. Er ist kein kühler Analytiker dieser sichtlich unter Spannungskopfschmerz leidenden Persönlichkeit, vielmehr mittendrin in der Figur. Als sein ur-eigenes, tollwütiges, kleines Monster agiert er sich an der Welt ab.
Den Spagat zwischen dem unglücklichen Künstler-Beamten auf Lebenszeit und dem Hauch berufsbedingter Boheme ist in Süskinds Stück glänzend erfasst, aber es ist eben auch ein Monolog, der bei aller Virtuosität der Form dramaturgisch wenig Überraschungen bietet, der eher aufs Boulevardeske zielt. Gleichwohl ist „Der Kontrabass“ genial - aber eben auch nur, wenn er von einem genialen Schauspieler interpretiert wird.
So gesehen, war die Premiere am Mittwoch ein großer Wurf. Wie Roland Riebeling, dieser Vollblut-Mime, bis in die Fingerspitzen jeden Moment präsent ist, wie er die Gratwanderung zwischen Arroganz und Jämmerlichkeit, zwischen Eruption und übersteuertem Größenwahn leichtfüßig, augenzwinkernd und Mitleid heischend austanzt, ist große Kunst.