Bochum. „Dat is ‘ne Marke!“, schwärmen viele Bochumer von Waltraud Ehlert. Aber taugt Bochums berühmteste Putzfrau auch als Stadt-Marke? Die Werbeprofis von BO-Marketing sind davon überzeugt.

Waltraud „Walli“ Ehlert, Reinigungsfachkraft mit Schrubber und Schnauze, soll den Ruf der Stadt aufpolieren und „Bochum nach innen und außen vermarkten“, kündigt Geschäftsführer Mario Schiefelbein an. Bald ist sie erstmals als Stadtführerin im Einsatz.

„Föast Lädi: Dat wär’ mich eine Ehre“, würde Walli tönen. „Im Ernst: Ich wäre stolz, Bochum zu präsentieren“, sagt Esther Münch, die die patente Putze verkörpert. Beim WAZ-Gespräch im City-Café bleibt die attraktive Dahlhausenerin (die 53 sieht man ihr nicht an) unerkannt. Mit Kittel, Schläppkes und Kopfputz wäre das anders. Walli ist Bochumer Kulturgut.

Große Klappe, viel dahinter: „Blagen wie ich kriegen heutzutage Ritalin“, erzählt sie strahlend von ihrer bewegten Kindheit in Grumme. Mutter: Sekretärin. Vater: Polizist. Esther: ein wuseliges, wissbegieriges Mädchen mit Hang zum Musischen. Als Vierjährige erlernt sie Flöte, Gitarre und Klavier. An der Märkischen Schule in Wattenscheid ist es das Fach Musik, das ihr „beim Abi den Arsch rettet“.

Während des Studium an der Ruhr-Uni (Deutsch/Geschichte) greift sie nur noch in der Mensa zur Klampfe. Esther Münch will Lehrerin werden. Nach dem 1. Staatsexamen erkennt sie: „Schüler finde ich super, Lehrer schrecklich.“ Die Stadt Bochum bietet ihr einen Job als Sozialarbeiterin an: halbtags, denn 1985 kommt ihr Sohn auf die Welt. Heute studiert Moritz Spanisch und Englisch. Mama arbeitet noch immer beim Jugendamt.

Figur entstand beim Straßentheater

Walli ist zehn Jahre jünger als Moritz. Mitte der 90er Jahre verdient sich Esther Münch ein Zubrot als Moderatorin und Mimin hinzu. Sie entwickelt Figuren, die sie vor Publikum ausprobiert: beim Straßentheater, mitten auf der Kortumstraße. Ihre Putzfrau mit typischem Ruhrpott-Mundwerk kommt bei den Passanten besonders gut an. „Wie Hausmeister wird diese Berufsgruppe unterschätzt, für dumm und einfältig gehalten. Dabei sind Putzfrauen blitzgescheit. Und: Sie dürfen alles sagen, ohne dass man ihnen böse ist.“

Ihr staubwedelndes Alter Ego nimmt schnell Formen an. Beim Nachnamen bedient sich Esther Münch einer herrlich kratzbürstigen Oma, die sie als Sozialarbeiterin kennengelernt hat. Beim ersten Buchstaben des Vornamen gilt es, an den Rest der Sippschaft zu denken. Ein W eignet sich für alle prima. So entsteht Ehlert. So entstehen Waltraud, Göttergatte Willi und der Filius, „unsern Werner“.

Neues Programm im November

In bisher acht Bühnenprogrammen hat Esther Münch die Walli gegeben. Sie war „inne Polletik“, sie war im Weltall. Ihr neues Werk (Premiere am 16. November im Haus Spitz) führt sie „innen Urlaub“. Zweimal wöchentlich ist sie morgens bei Radio Bochum zu hören. Alle Texte sind selbst verfasst. Test-Hörer sind Ehemann Michael Grosler und ihre 78-jährige Mutter Nora. Ihr Urteil scheint massentauglich zu sein: Wenn Walli in Wallung kommt, sind die Säle ausverkauft. Der Aha-Effekt stellt sich stets zum Finale ein, wenn sich die Putze binnen Sekunden zur stimmgewaltigen Diva, zur „echten“ Esther Münch verwandelt.

Als Stadtführerin feiert Walli am 21. Oktober Premiere. In Kooperation mit BO-Marketing zeigt sie per Bus und Bahn „ihr“ Bochum. Die 40 Plätze waren innerhalb von zwei Tagen ausgebucht. Vier weitere Wall(i)fahrten folgen 2013.

„Es ist schön, etwas für meine Stadt zu tun“, sagt Esther Münch. „Gut sabbeln kann ich ja.“ Jau.

Soll „Walli“ als Stadt-Marke bei Veranstaltungen, auf Plakaten oder in Prospekten für Bochum werben? Oder ist eine Putzfrau dafür weniger geeignet?

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