Bochum.

Die erste Premieren der neuen Saison im Prinz Regent Theater mit Lluisa Cunillés „Nach mir die Sintflut“ macht es dem Theaterbesucher nicht leicht. Womöglich – nein: ganz sicher - geht man nach der Vorstellung ratloser nach Hause als man zuvor war.

Was war das denn eben?, mag sich mancher fragen. Die Antwort ist: es war starkes Theater. Und doch auch ein seltsam irritierender Abend.

Schreckliche Fakten

In dem Stück der katalanischen Autorin Cunillé (Jahrgang 1961) geht es um die Kluft zwischen Afrika und dem vermeintlich gelobten Kontinent Europa. „Nach mir die Sintflut“, sagte Mobutu Sese Seko, der Diktator von Zaire/Kongo, als er nach dem Staatsstreich das Land verlassen musste. Durch die Augen zweier Europäer betrachtet Cunillé das Leben und das Leiden der Menschen in Zentralafrika. Und die Regisseurin Sibylle Broll-Pape macht aus diesem Setting ein auf den ersten Blick stimmiges Kammerspiel.

Ein Geschäftsmann (Wolfram Boelzle) sitzt in seinem Hotelzimmer in Kinshasa. Dort besucht ihn eine Übersetzerin (Anuk Ens). Sie schlägt ihm ein Geschäft vor und konfrontiert ihn schließlich mit dem Wunsch eines alten Afrikaners, seinen Sohn mit nach Europa zu nehmen, als Fußballer, Leibwächter oder Diener, als was auch immer - Hauptsache, der Junge kann dem afrikanischen Elend entfliehen.

Aus dem Geplänkel zweier Geschäftsleute entwickeln Boelzle und Ens auf der fast leeren Bühne von Trixi Royeck (drei Sessel, eine afrikanische Maske, mehr nicht) Zug um Zug ein beklemmendes Kammerspiel. In dieser reduzierten, artifiziellen Kulisse liefern sich die beiden sehr präsenten Schauspieler drängende Rededuelle, wobei die Regisseurin das Stück kompakt im Griff hat, es aber eben auch sehr statisch in Szene setzt.

Es gibt keine Handlung im Sinne von Bewegung; das dialogbetone Schauspiel kommt sozusagen wie ein szenisches Hörspiel daher, was zur Folge hat, dass der psychologische Hintergrund der handelnden Personen kaum eine Rolle spielt. Wenn der Geschäftsmann hypernervös und genervt gegen die Frau agiert, weiß man nicht genau, was es ist, das ihn so sein lässt. Und wenn die Übersetzerin als „Stimme“ des alten Afrikaners vom Leben der Kindersoldaten erzählt, von der Verrohung und von den Gräueln des Bürgerkrieges, dann wirkt sie dabei seltsam unbeteiligt. Zwar hört man diese schrecklichen Fakten, aber sie gehen nicht unter die Haut. Das ist das Eine.

Das andere ist der Text selbst: Cunillés komplex verflochtene Dramaturgie, die Kolonialismus, Ausbeutung und Bürgerkrieg assoziativ verküpft, ist ein Parforceritt durch die grausame Geschichte des Kongo. Sie zeigt eigentlich zwei Figuren, die am Abgrund zwischen europäischer Schuld - auf die brutale Besetzung des Landes durch die Belgier wird angespielt - und afrikanischem Trauma taumeln. Das wird aber zu wenig ausgespielt, wie übrigens auch die latent erotische Komponente der Unterhaltung zwischen Mann und Frau. So bleiben die Figuren lediglich „Stimmen“, sie werden in ihrem Gehalt nicht fassbar. Das mag genau das beabsichtige Regie-Konzept sein, doch birgt es Ermüdungspotenzial. Dass der 80.Minuten-Abend nicht strandet, liegt allein an den Schauspielern.

Weiterer Vorstellungenam 8. und 18. September, sowie am 10. und 17. Oktober, jeweils um 20 Uhr. Karten (15/erm. 8 Euro) unter Tel. 0234/77 11 17.)