Bochum.

Teppiche brauchte kein Mensch mehr. Die Zeit, in der sich Menschen schwere Perser, bunte fransige Läufer oder ähnliche Staubfänger in die Bude legten, war vorbei. Genau da, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, begann die Geschichte des Bochumer Teppich-Designers Jan Kath, die eng mit der Bochumer Agentur Oktober von Silke Löhman und Renè Wynands verbunden ist.

Jan Kath, Spross alteingesessener Teppichhändler, war einige Jahre hippieesk durch die Welt gezogen. Bloß nicht mit den jetzt so uncoolen Teppichen handeln wie die Eltern. Dabei war er letztlich auf eine Idee gekommen. Warum nicht das uralte Handwerk des Knüpfens edler Teppich mit modernem Design verbinden? Gesagt getan, der Vater entwarf das Logo, ein erster minimalistischer Katalog entstand in Eigenregie. Der Erfolg blieb übersichtlich. Doch dann brachte ein gemeinsamer Freund Kath mit den Oktober-Leuten zusammen.

Das Entfant terrible der Branche

Löhmann und Wynands entwarfen sofort einen Plan. Kath sollte zu einer innovativen Marke entwickelt werden. Das „Entfant terrible der Branche“ sollte er werden, so das Ziel der Kampagne. Entsprechend sah dann der Katalog aus, der 2001 wie eine Bombe in der Szene einschlug. „Contemporary RugArt“, zeitgenössische TeppichKunst machte der Bochumer fortan. Allein die Entstehungsgeschichte war abenteuerlich. Die edlen Bodenbeläge wurden in der Kokerei der Zeche Zollverein inszeniert. Moderne minimalistische Muster neben von jahrzehntelanger Arbeit zerfressenen Wänden. Bei Eiseskälte wurden die teuren Teile auf dem ölverschmierten Boden platziert, den kurz zuvor noch echte Tiger in einer Kunstinstallation besudelt hatten. Kath und Oktober hatten es geschafft, regionale Verbundenheit, die Historie der Region und neueste, innovative Designkunst miteinander zu verschmelzen. Unter anderem ein Red-Dot-Design-Award war die Belohnung für die Projektidee. Seither sind die Teppiche Kaths fast schon Kultobjekte; weltberühmte Promis haben sie in ihren Villen liegen, große Marken verlegen sie in ihren Flagship-Stores. Kath betreibt unter anderem einen Showroom in New York. Zuletzt gönnte sich die Stadt Bremen einen riesigen Kath für 110.000 Euro in ihrem Ratssaal.

In den folgenden Jahren entstanden weitere Kataloge, die Oktober für den Unternehmer erstellte. „Schön an der Zusammenarbeit ist, dass Jan Kath uns freie Hand bei der Arbeit lässt“, erzählt Rene Wynands über die Kooperation.

Ruhr-Universität und Schlosspark

Das bewährte Konzept wurde dabei stetig variiert. Immer wieder wurden aber lokale Orte einbezogen. Der Zeche Zollverein folgt als Kulisse die wunderbare Betonarchitektur der Ruhr-Universität, dann in einer Art Kehrtwendung die grüne Märchenwelt des Weitmarer Schlossparks. Auch in diesen Umgebungen ließen sich die Schmuckstücke prächtig inszenieren, die Kataloge gewannen regelmäßig Preise. Grandios auch die Idee zur Serie „Erased Classic“, die aus gebraucht aussehenden, quasi dekonstruierten Teppichen besteht. Für den Katalog wurde Rubbellack auf dem Cover des Katalogs benutzt, der sich ähnlich wie die Optik der Teppiche verhält und bald Gebrauchsspuren zeigt.

Für den jüngsten Katalog ließen sich die Kommunikationsdesigner, die in einem prächtigen Büro im Schlegel-Haus residieren, vom opulenten Design der neuen Teppiche inspirieren. Deren prächtige Blumenmuster lassen das längst vergessene Zarenreich lebendig werden. Bei den Recherchen stießen sie auf die Werke des russischen Fotografen Sergei Mikhailovich Prokudin-Gorskii. Der fotografierte schon vor 100 Jahren in Farbe. Die Atmosphäre dieser alten Fotografien bewahrend, ließen die Designer Kaths neue Teppiche in die historischen Fotografien einfließen. Und so gewann „From Russia with Love“, die postmoderne Hommage an ein versunkenes Zeitalter, auch in diesem Jahr den „Gold Award“ beim renommierten Wettbewerb „Berliner Type“. Und Jan Kaths Teppiche bleiben cool.