Bochum. . Einmal mit dem Fahrrad über die großen Ausfallstraßen Bochums radeln - diese Erfahrung hat die WAZ am Dienstag gemacht. Fazit: Rad fahren ist dort objektiv lebensgefährlich, aber an viel weniger Stellen als gedacht.
Bestimmt 15 Jahre lang bin ich nicht mehr Fahrrad gefahren. Und dann sofort mitten hinein in die Großstadt! Viele Bürger sagen ja, das sei lebensgefährlich. Nach einer vierstündigen Sternfahrt über große Bochumer Ausfallstraßen kann ich nur sagen: Ich habe ohne jede Blessuren überlebt.
Ein Abenteuer reizt mich ja fast immer. Also bin ich Dienstagmorgen einfach so aus dem Bauch heraus los. Das Fahrrad ist zwar geliehen, aber es ist mir sofort vertraut. Das ist auch dringend nötig, denn wer auf Bochums Ausfallstraßen wackelig auf den Pedalen ist, kommt todsicher unter die Räder. Den ersten Beweis dafür erlebe ich auf der Hauptstraße in Langendreer. Als Autofahrer passe ich dort vor allem auf Tempo 30 vor der Steiner-Schule auf. Diesmal achte ich nur darauf, auf dem rumpeligen Belag am Fahrbahnrand die Balance zu behalten. Einen Radweg gibt es dort nicht. Ein Fahrfehler kann dort das Ende der Tour bedeuten.
„Meine Gesundheit liegt jetzt vollständig in der Hand fremder Leute“
Auf der Hauptstraße und weiter stadteinwärts auf der Unterstraße erlebe ich das größte Problem für Radfahrer überhaupt: Das Fahren auf belebten Straßen direkt an parkenden Autos entlang. Dann herrscht sofort Alarmstufe Rot. Jeden Moment könnte sich eine Autotür öffnen, ich müsste voll in die Eisen und einen Sturz riskieren oder aber Richtung Fahrbahnmitte ausweichen, wo mich dann prompt ein fahrendes Auto links hinter mir aufgabeln oder plattfahren würde. Meine Gesundheit liegt jetzt vollständig in der Hand fremder Leute. Gebührenden Abstand zu den parkenden Autos zu wahren, geht aber auch nicht. Die nachfolgenden Autofahrer würden dir einen hupen, weil du ihnen die Fahrbahn blockierst.
Aber genug der finsteren Gedanken. Schon bald, Richtung Wittener Straße, kommen Radwege oder Fußwege, auf denen das Radfahren erlaubt ist. Dort einzubiegen, fühlt sich wie das Erreichen eines rettenden Ufers nach stürmischer See an. An Wasser denke ich nicht von ungefähr, denn es regnet in Strömen. Das macht das Fahren doppelt riskant. Gullys, die man alle paar Meter mit seinen dünnen Reifen überrollen muss, sind genau so glitschig wie die vielen Kanten, die ein Radfahrer überwinden muss. Beispiel Wittener Straße, vor der BP-Zentrale: Obwohl dort ein Radweg ist, knallt die Felge gegen drei Zentimeter senkrechten Stein - und das in spitzem Winkel. In jeder Kurve, bei jedem Wechsel des Belags lauert das Sekundenunglück. Ohne höchste Konzentration lebt man nicht lange auf dem Fahrradsattel.
„Was für ein Luxus ist es da, zum Beispiel auf der Dorstener Straße zu radeln“
Was für ein Luxus ist es da, zum Beispiel auf der Dorstener Straße zu radeln. Nahezu komplett fahre ich kilometerweit geschützt auf einem Radweg. Oder: Auf der Heinrich-König-Straße und später auf der Markstraße habe ich stellenweise so viel Platz, als sei ich breit wie ein Auto. Das hat die Stadt prima gemacht. Angenehm überrascht bin ich auch über weite Strecken der sonst so überaus hektischen Herner Straße. Doch gerade sie ist ein Beispiel dafür, dass das Radwegenetz auf den Hauptstraßen noch sehr lückenhaft ist. In Riemke muss ich urplötzlich wieder für einige Meter auf die Straße und bin den Autos mehr oder weniger schutzlos ausgeliefert. Ähnlich ist es auf der Hattinger Straße. Erst ab Knoopstraße bin ich auf einem sicheren Radweg.
Vier Stunden Radfahren auf großen Straßen - und nicht einmal ist etwas passiert. Aber ich weiß: Das war nur möglich, weil mir kein einziger Autorüpel in die Parade gefahren ist. Und die zwei, die mir den Radweg zugeparkt haben, habe ich rechtzeitig gesehen, so dass ich der Gefahr ausweichen konnte.
Abends musste ich das geliehene Rad wieder abgeben. Die Wehmut hielt sich in Grenzen. Zumal es in meinem Auto auch trockener ist.
Bußgelder drohen auf Gehwegen
Erwachsene grundsätzlich nicht auf Gehwegen radeln. Außer, es wird extra erlaubt. Oft ist der Radler aber so konzentriert aufs Spurhalten, dass er nicht alle Hinweise sieht. Bei Verstößen sind fünf oder (in Fußgängerzonen) zehn Euro Bußgeld fällig. Kindser bis zum Alter von acht Jahren müssen den Gehweg benutzen, Kinder bis zehn Jahren dürfen es.