Bochum. .

Wie in einem normalen Miethaus öffnet Monika Wiemann (47), gestützt auf einen Rollator, die Tür zu ihrer Wohnung. Seit Mitte Mai kann sie das neue Haus der Diakonie Ruhr ihr eigenes Zuhause nennen. Und genau das soll es auch sein. Denn das Modellprojekt „ermöglicht behinderten Menschen, unabhängig von der Schwere der Behinderung, ein möglichst selbstständiges Leben “, erläutert Frank Zittlau, Teamleiter der Diakonie.

Machbar wird dies durch modernste Technik und eine konsequent barrierefreie Bauweise des Hauses, die über gesetzliche Normen hinausgeht. Zwischen Wohnungen und Terrassen oder Balkons gibt es keinerlei Kanten und der Wenderadius in den Bädern misst statt 90 hier 120 Zentimeter.

Die insgesamt 16 Wohnungen sind zwischen 44 und 55 Quadratmeter groß. Sie werden bereits von Mietern im Alter zwischen 21 und 61 Jahren bewohnt. Die Betreuung der Bewohner sei im neuen Haus günstiger und alle Mieter könnten Miete und Lebenskosten im Apartment mit eigenen Einnahmen bzw. der sozialen Grundsicherung finanzieren, erläutert Zittlau.

Wichtig ist, dass die Mieter ihre Wohnungen ohne Hilfe handhaben können. Licht, Rollos und Türen können darum nicht nur über zentrale Schalter, sondern auch durch eine Fernbedienung von jeder Stelle in der Wohnung betätigt werden. „Wer nicht in der Lage ist, eine Fernbedienung mit den Fingern zu bedienen, kann weitere Geräte, wie Joystick oder Computer anschließen und mit Kopf oder Mundstift durch nur eine Taste die gewünschte Funktion auswählen“, sagt Zittlau.

Für Monika Wiemann, die an einer spastischen Lähmung leidet, beginnt hier mit dem Umzug aus dem Wohnheim Wasserstraße ein völlig neues Lebenskapitel. Noch nie habe sie die Möglichkeit bekommen, einen Haushalt eigenständig zu führen, erzählt sie. Darum habe sie vor dem Einzug schon ein bisschen Bauchschmerzen gehabt. Doch schnell wichen diese einem guten Gefühl.

„Es ist leichter geworden, weil ich hier alles selber machen kann, was vorher nur unter Kontrolle ging“, sagt sie. Zum Einkauf werde sie zwar noch begleitet, aber vom Aussuchen bis zum Bezahlen, sei alles ihr Ding, erzählt Wiemann. „In Wohnheimen können die Bewohner wenig gestalten. Es gibt große Küchen und Waschmaschinen. Das ist schon ein gewaltiger Unterschied“, sagt Reinhard Jäger, Einrichtungsleiter des Wohnheims Wasserstraße und Mitinitiator des neuen Hauses.

Gewaltig ist der Unterschied auch für Nicole Leffringhausen (36), die an einer chronischen Muskelkrankheit leidet. Seit einem Unfall 2002 wohnte sie bei ihrer Mutter Hochparterre und konnte das Haus zehn Jahre lang kaum verlassen. Die gelernte Bürokraft sagt: „Es ist das Gefühl, endlich meine Freiheit wieder zurück zu haben.“

Zur Sicherheit der Bewohner gibt es eine Personenrufanlage. Mit vier Schaltern in jeder Wohnung und Fernbedienung können die im Haus anwesenden Diakonie-Mitarbeiter rund um die Uhr gerufen werden. Generell sind die Bewohner allerdings nicht an die Betreuung der Diakonie gebunden, sondern können theoretisch auch zu anderen Anbietern wechseln, ohne ihre Wohnung zu verlieren. Auch diese Wahlfreiheit garantiere die größtmögliche Autonomie für die Bewohner, erläutert Zittlau.

„Für ein Leben mittendrin und nicht nur dabei“, wie Teamleiter Zittlau sagt, könnte der Standort des Hauses besser nicht sein. Wochenmarkt, Supermarkt, Apotheke, Pizzeria und Kneipe sind gleich um die Ecke.