Bochum. .

Wer im Altenheim oder zu Hause gepflegt wird, soll ab 1. Juli mehr Geld aus der eigenen Tasche bezahlen. Grund: eine Ausbildungsumlage, die sämtliche Einrichtungen und Pflegedienste in NRW leisten müssen. „Die Folgen werden vor allem in der Ambulanten Pflege negativ spürbar sein“, befürchtet Dr. Thomas Hulisz, Chef der Ambulanten Dienste der Augusta-Kliniken.

Immer mehr Menschen sind und werden pflegebedürftig. Qualifizierte Arbeitskräfte fehlen allerorten; die Personalknappheit droht zum Notstand auszuwachsen. Anlass für die Landesregierung, die Ausbildung zur Altenpflegefachkraft per Gesetz gemeinschaftlich zu finanzieren. Alle Heime und Pflegedienste zahlen je nach Größe in einen Topf ein. Daraus werden die Gehälter der Azubis bezahlt. Wettbewerbsnachteile für die ausbildenden Betriebe würden damit abgeschafft, meint die Landesregierung. Für die vielen Anbieter ohne Lehrstellen soll die Zwangsumlage ein Anreiz sein, eigene Azubis einzustellen.

Die Leidtragenden sind die Patienten

„Das Gesetz hat einen guten Ansatz. Doch: Es ist nicht zu Ende gedacht“, bemängelt Dr. Hulisz. Zwar könnten die Anbieter die Mehrkosten für die Umlage an ihre Kunden weiterreichen. „In den Altenheimen mit einem Aufschlag von täglich 2,18 Euro und in der Kurzzeitpflege mit 1,08 Euro dürfte das kein Problem sein – auch, weil vielfach das Sozialamt die Kosten übernimmt“, glaubt Hulisz. Die Ambulanten Pflegedienste und ihre Patienten indes seien die Leidtragenden.

Dr. Hulisz macht für die Ambulanten Augusta-Dienste (200 Beschäftigte, 800 Patienten in Bochum) eine Rechnung auf:

  • Jährlich 212 000 Euro beträgt die Ausbildungs-Umlage, die ab Juli zu berappen ist.
  • 25 000 Euro kosten die zwei Altenpflege-Azubis, die das Unternehmen aktuell ausbildet und fortan nicht mehr aus der eigenen Kasse bezahlen muss.
  • Macht unterm Strich 187 000 Euro Mehrkosten, die nach einem Punktesystem von den Patienten refinanziert werden sollen.

„Genau das jedoch wird nicht funktionieren“, warnt Dr. Hulisz. Seit drei Wochen verschickt der Pflegedienst Schreiben an seine Patienten. Darin wird aufgelistet, wie viel Geld ab 1. Juli inklusive der Ausbildungsumlage fällig wird. „Die Tendenz ist eindeutig. Die große Mehrheit der Pflegebedürftigen kann sich gar keine Zuzahlungen leisten. Wer bereits aus eigener Tasche zahlt, kann nicht noch mehr zahlen.“

"Wir müssen beim Personal sparen"

Pflegedienstleiterin Christiane Breddemann nennt ein Beispiel: „Eine ältere, bettlägerige Dame wird von uns zweimal täglich angefahren, gewaschen und gelagert. Sie hat Pflegestufe 2. Zusätzlich zu den Leistungen der Pflegeversicherung zahlt sie monatlich 168 Euro: schon jetzt mit Mühe und Not. Mitsamt des Aufschlags müsste sie künftig 305 Euro zahlen. Für sie unmöglich. Um bei der bisherigen Zuzahlung zu bleiben, muss sie die Leistungen einschränken. Heißt: Sie kann künftig nur alle zwei Tage von uns gewaschen werden.“

Auch die Pflegedienste ziehen am Ende den Kürzeren, sagt Dr. Hulisz: „Die Mehrkosten können nicht an die Patienten weitergereicht werden. Folge: Wir müssen beim Personal sparen, indem wir mehr Aushilfs- als Fachkräfte beschäftigen.“ Hieße für die nächsten Jahre: Viele der Fachkräfte, die dank der neuen Umlage ausgebildet werden, finden keine Anstellung, weil die Pflegedienste die höheren Löhne nicht aufbringen können.

„Absurd“, sagt Dr. Hulisz. In einem Brief an NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) zeigt er die Konsequenzen des Gesetzes auf. Seine Alternativen: die Umlagen für die Ambulante Pflege kurzfristig zu senken und die gemeinschaftliche Finanzierung der Ausbildung mittelfristig über die Pflegeversicherung vorzunehmen.