Bochum.
Einige Reisende erinnerten sich auf den Ausflügen durch Bochum und das Revier öfter an früher. Beim Auftakt der Aktion „Reisen ohne Koffer“ am Montag mit einer Führung im Bochumer Rathaus lebte für Maria (76) und Konrad Pewny (81) ihr Hochzeitstag noch einmal auf. „Wir hatten damals unsere Ausweise vergessen und sind dann mit raushängender Zunge zum Termin gekommen“, erzählte das Paar vergnügt.
Runter vom Sofa und los geht es: Das galt vergangenen Montag bis Freitag für 44 Frauen und fünf Männer zwischen 70 und 80 Jahren. Zum siebten Mal veranstalteten Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Diakonie Ruhr, Paritätischer Wohlfahrtsverband und Deutsches Rote Kreuz gemeinsam mit der Stadt Bochum die stets ausgebuchte Ausflugsreihe „Reisen ohne Koffer“ für Senioren.
Witwer Erich Waehenkel (84), der das vierte Mal mitreiste, beeindruckten in der Vergangenheit besonders die Ausflüge zur Zeche Zollern in Dortmund und zur Henrichshütte in Hattingen. „Ich war ja selbst auf Zeche“, erklärte er.
Gespräche ergeben sich ganz schnell bei "Reisen ohne Koffer"
Konrad Pewny und Erich Waehenkel trafen sich dieses Jahr bei „Reisen ohne Koffer“ nach langer Zeit wieder. „Wir haben als Jungs zusammen die Gegend um den Mühlenteich in Wattenscheid-Westenfeld unsicher gemacht und uns trotz der langen Zeit gleich wieder erkannt“, sagte Pewny verschmitzt wie ein Lausbub. Alte und gemeinsame Bekannte sind durch die lange Zeit, die die Senioren in einer Stadt leben, häufig Thema der Gespräche, wissen die Pewnys. „Am ersten Tag dachte ich: Was soll ich hier? Ich renne doch nur die ganze Zeit der Gruppe hinterher. Doch dann kamen die Gespräche ganz schnell“, freute sich Konrad Pewny, der mit seiner Frau das erste Mal bei „Reisen ohne Koffer“ mitmachte.
Das Zisterzienserkloster in Stiepel erschien am Donnerstagnachmittag im Sonnenschein wahrlich wie ein Urlaubsort. Pater Placidus führte die Gruppe dort durch das Gebäude und informierte über die Lebensweise als Mönch. So erfuhren die Besucher, dass der Pater im Monat für private Zwecke nur 100 Euro ausgeben kann. Er verblüffte damit, dass die Bibliothek der 13 Mönche Waffenkammer genannt wird. „Die richtigen Bücher gelten hier als Waffe gegen das Böse im eigenen Herzen“, so der Pater.
„Es gibt natürlich auch Tage, an denen ich müde und nicht so richtig dabei bin. Aber dann sind da immer wieder Momente, in denen ich spüre: Ja das ist es!“, sagte der studierte Theologe. Die Reisenden lauschten seinen Worten wach wie gute Studenten. „Das ging richtig ans Herz, weil es so aus dem Leben gegriffen war“, zeigt sich Helga Zimmermann (79) später begeistert von dem Vortrag des Mönchs und bittet, dies in der Zeitung zu schreiben.
Seit 2005 gibt es die Aktion "Reisen ohne Koffer"
Die Aktion „Reisen ohne Koffer“ fand 2005 erstmals anlässlich des 10-jährigen Jubiläums des Arbeitskreises der Stützpunkte der Wohlfahrtsverbände statt. Die Teilnahme kostete dieses Jahr 69 Euro. „Wir wollten damals etwas Besonderes für Senioren machen. Ziel war es vor allem, die Begegnungsstätten bei Senioren bekannt zu machen“, erläuterte Ulli Dröghoff, Sprecher des Arbeitskreises.
Ist der Geist gut genährt, unterhält der Mensch sich besser. Darum gehörte neben interessanten Ausflügen ein geselliges Beisammensein bei Kaffee und Kuchen zum täglichen Programm. Die kofferlose Reisegruppe, die gemeinsam in einem Bus unterwegs war, versammelte sich dazu immer in einer anderen Begegnungsstätte. Am Dienstag etwa ging es nach einem Vortrag über Fitness im Alter in der Vierhausstraße (Paritätischer Wohlfahrtsverband) zu einem Mandolinenkonzert von Becks Musikfreunden in die Glücksburger Straße (Caritas). „Mir gefällt, dass es Musik und Unterhaltung gibt. Das Mandolinenkonzert war schön“, befand Magret Liwowski (80).
Bis zur Fortsetzung von „Reisen ohne Koffer“ nächstes Jahr planen einige Teilnehmer aber durchaus auch Reisen mit Koffer. Die Pewnys zieht es nach Polen, Erich Waehenkel besucht das Alte Land bei Hamburg und Magret Liwowski genießt einige Winterwochen in der Türkei.