Bochum. . Über zwei Jahrzehnte war eine Schlecker-Verkäuferin (57) immer nur befristet angestellt. 50 Zeitverträge hatte sie. Ende 2011 war Schluss. Jetzt klagte sie vor Gericht auf Weiterbeschäftigung - und hatte Erfolg.
Über 20 Jahre lang hatte eine Schlecker-Mitarbeiterin aus Bochum nur befristete Verträge gehabt. Tatsächlich war sie aber all die Jahre ununterbrochen im Einsatz. Am Mittwoch zog sie gegen diese Marathon-Befristungen vors Arbeitsgericht - und gewann auf ganzer Linie.
Seit 1990 arbeitete die Familienmutter in diversen Filialen der Drogeriekette im Bochumer Osten. Seitdem hatte sie 50 Verträge als geringfügig Beschäftigte erhalten und alle waren nur auf einige wenige Monate befristet. Richter Dr. Sascha Dewender: „Die Akte ist nur so dick, weil so viele Arbeitsverträge drin sind.“
Ihren letzten Vertrag bekam die Klägerin im vorigen September; er dauerte von Oktober bis zum 30. Dezember. Danach war Feierabend. Die Frau bekam nicht einmal eine Kündigung; der Vertrag lief einfach aus. Seitdem hat sie auch keine Einkünfte mehr.
Gericht spricht von „unzulässiger Dauervertretung“
Trotz der mittlerweile eingetretenen Insolvenz des Unternehmens wollte sie aber weiterbeschäftigt werden und klagte gegen den Insolvenzverwalter, weil sie die jahrzehntelange Befristung für unwirksam hält. Die Gegenseite bewertete hingegen alles als völlig korrekt und verwies auf Urlaubsvertretungen, die die Klägerin gemacht habe.
Die Klage hatte aber Erfolg. Mit Unverständnis sprach der Richter von einer „unzulässigen Dauervertretung“. Die Verträge seien ja „Kette an Kette“ erfolgt. Das spreche für einen „Dauerbedarf“. Außerdem beklagte er, dass Schlecker keine richtigen Sachgründen für diese Befristungen abgegeben habe. „Das ist schon ein bisschen ernüchternd“, meinte er einmal.
Ein Vergleich scheiterte. 1000 Euro Abfindung standen im Raum. Damit wollte sich der Rechtsanwalt der Klägerin, Javier Davila Cano, nicht abspeisen lassen. „Sie möchte am Arbeitsverhältnis festhalten“, sagte er über seine Mandantin. Also musste die 5. Kammer entscheiden: „Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsabrede in dem aus September 2011 stammenden Arbeitsvertrag mit dem 30.12. geendet hat.“
„In Bochum gibt es nur noch sechs Läden, nicht über 20 wie im letzten Jahr“
Sollte das Urteil rechtskräftig werden, müsste Schlecker die Klägerin jetzt wieder beschäftigen. Eine Schlecker-Vertreterin sagte aber: „In Bochum gibt es nur noch sechs Läden, nicht über 20 wie im letzten Jahr.“ Eventuell wird die 57-Jährige in Nachbarstädten eingesetzt. Unabhängig davon gilt: Das Gehalt von Januar bis März muss ihr nachgezahlt werden.
Am Rande des Prozesses nannte die Klägerin auch den Grund, warum sie nicht schon früher geklagt habe: Furcht vor einem Rauswurf.
Kündigungsschutzklagen
Das Bochumer Arbeitsgericht verhandelt bald 14 weitere Klagen von Schlecker-Mitarbeiterinnen. Es sind Kündigungsschutzklagen. Die ersten Gütetermine sind zwischen 24. April und 25. Mai terminiert.