Bochum. Die Zahl der Verkehrsunfälle mit Senioren steigt. Anlass für das Bochumer Hausärztenetz, eine Untersuchung für Autofahrer ab 70 Jahren anzuregen.
Dieser Verzicht fällt vielen Senioren schwer: den Wagen für immer stehen zu lassen, den Führerschein abzugeben, weil man sich nicht mehr für fahrtüchtig hält. Das Auto, es dient nicht nur der Fortbewegung. Es ist Statussymbol, steht für Unabhängigkeit und Mobilität. Dr. Wilhelm Vermaasen kann nachvollziehen, dass nur wenige Rentner freiwillig den Schlüssel an den Nagel hängen. Um so entschiedener macht sich der Sprecher der Bochumer Hausärzte für eine Untersuchungspflicht stark: „ab 70, alle zwei Jahre“.
Die Jahresstatistik 2011 der Polizei stellt den Ü-65-Verkehrsteilnehmern in Bochum kein gutes Zeugnis aus. 117 Menschen im Rentenalter verunglückten bei Unfällen: 20 mehr als im Vorjahr. Zu 55 Prozent waren die Senioren auch die Verursacher. Anlass für Polizeidirektor Manfred Kibbas, an ältere Autofahrer zu appellieren, ihre Verkehrstauglichkeit überprüfen zu lassen. Zwar äußert Kibbas Verständnis, dass nur wenige Betroffene ihre gesundheitlichen Einschränkungen akzeptieren und die „große psychologische Hürde“ überwinden: „Viele wollen es nicht wahrhaben.“ Aber: „Alle Emotionen ändern nichts an der Faktenlage.“
Oft fehlt die Einsicht
Dr. Vermaasen (54) unterstützt den Aufruf der Polizei. „Ich habe es ein, vielleicht zwei Mal erlebt, dass ein Patient von sich aus fragte, ob er noch fürs Autofahren geeignet sei“, berichtet der Vorsitzende des Bochumer Hausärztenetzes. Deutlich häufiger seien es die Ärzte, die betagte Patienten „vorsichtig“ auf mögliche Gefahren am Steuer hinweisen. „Das ist ein Tabu-Thema. Wer es als Arzt anspricht, stellt sofort die Kompetenz und Eigenständigkeit des Patienten infrage. Die Einsicht fehlt. Genau deshalb sind viele Autofahrer noch im hohen Alter unterwegs, obwohl sie dafür zumindest teilweise nicht mehr geeignet sind.“
Gerne seien die 200 Bochumer Hausärzte ebenso wie die Augenärzte bereit, Senioren auf ihre Verkehrstauglichkeit zu untersuchen. Die Polizei hat keine eigene Beratungsstelle und verweist gleichfalls auf die Mediziner. Sollte es zum gesetzlichen Gesundheitscheck kommen, müsse der Staat aber eine übergeordnete Institution schaffen, fordert Vermaasen: „Wir wirken auf Wunsch als Begleiter mit. Eine Entscheidung über die Fahrtauglichkeit können und wollen wir aber nicht treffen.“
Verbindlich wird ein Gesundheitstest derzeit erst, wenn ein älterer Fahrer im Straßenverkehr „krass negativ“ aufgefallen ist. Ein Amtsarzt überprüft dann seine Fahrtüchtigkeit. „Das kommt aber sehr selten vor“, berichtet die Polizei.