Bochum.Beim „Weihnachtsliederauffrischungsseminar“ im Schauspielhaus wurde angstfrei gesungen. Dramaturg Olaf Kröck führte im Foyer durch ein Programm mit vielen Klassikern. Riesenapplaus!

Weihnachsliedersingen – aber ja! In den meisten Familien gehört das gemeinsame „O Tannenbaum“ unter dem Tannenbaum so exakt zum Fest wie die Geschenke und der Besuch der Christmette. Dumm nur, dass es gerade beim schönen Singen immer wieder zu krummen Melodien kommt – Oma kann die Stimme nicht halten, die Kinder verlieren den Rhythmus, Papa brummelt nur und Mama verliert im Sopran den Anschluss... Doch Halt! - das muss nicht sein. Damit das Weihnachtsliedersingen wieder so gut gelingt wie früher, als das Wünschen noch geholfen hat, dafür gibt es ja jetzt das Bochumer Weihnachtsliederauffrischungsseminar im Schauspielhaus.

Ausverkaufter Abend im Foyer

Vier Tage vor dem Fest fand der Singe-Abend erstmals im Oberen Foyer des Theaters statt. Und war gleich ausverkauft. 140 Sangeswillige hatten sich versammelt, davon sicher 80 % weiblich. Die meisten Besucher waren neugierig auf das, was da kommen sollte, der anderen Teil wusste es schon und war genau deswegen da. Denn das Christmas Sing along hat Intendant Anselm Weber schon erfolgreich in Essen ausprobiert, und nun das Ganze auch nach Bochum transferiert. Entsprechend war eine nicht kleine Schar aus der Nachbarstadt zugegen, um das schöne Erlebnis an andere Stelle noch mal zu erleben.

Erste Überraschung: Das „Kommando“ des Abends hatte Olaf Kröck, der Schauspielhaus-Dramaturg. Im glitzernden Entertainer-Anzug gewandet, gewann er die Gäste durch seinen komödiantischen Schlag: „Ich kenne keinen von Ihnen, aber wir werden uns in den nächsten zwei Stunden duzen. Das ist für mich einfacher“, gab er dem Publikum mit. Und gleich darauf versprach er: „Sie werden jetzt erst einmal ziemlich dumm aussehen...“

Lockerungsübungen für den Kiefer

Kröcks forsche Gangart hatte natürlich Methode, denn eines war dieses Weihnachtsliederauffrischungsseminar – tolles Wort, übrigens! - nicht: eine bierernste Angelegenheit. Im Gegenteil: Erklärte Absicht der Veranstalter war es, das Publikum zu einem angstfreien Singen zu verleiten; und genau das passierte dann auch. Und daran mag nicht zuletzt das erwähnte „Dumm-Aussehen“ beigetragen haben. Denn damit waren die Grimassen gemeint, die jede/r zwangsläufig ziehen muss, wenn es um Lockerungsübungen des Kiefers und der Muskulatur, der Stimmbänder und des Atemschöpfens geht. Bllbllblee, u-o-i-e-a, prrrrttttt …. - so glucksten alle anfangs herum, und das war wirklich komisch, und keinesfalls peinlich. Wer in dieser Aufwärmrunde allerdings gewusst hätte, dass der Saal keine Stunde später eine perfekte Chorfassung von „O Du fröhliche“ bieten würde, hätte es sich nicht eingestanden. Aber genau das ist dann passiert.

Doch der Reihe nach. Tenor Olaf Kröck war nicht allein gekommen, sondern hatte mit Veronika Nickl, Simone Weber und Jannik Nowak drei Sänger sowie mit Hajo Wiesemann (Klavier) und Tobias Sykora (Cello) zwei klasse Musiker zur Seite. Mit „White Christmas“ fing der Abend an, und nachdem einige Tempoübungen eingebaut worden waren, klappte die Schnulze von Bing Crosby schon recht gut.

Kein Klassiker fehlte

Ein jeder hatte ein Programmheft mit Texten und Noten erhalten, das in den nächsten zweieinhalb Stunden munter abgearbeitet wurde. „Süßer die Glocken nie klingen“, „Vom Himmel hoch“, „Es ist ein Ros’ entsprungen“, „Stille Nacht“ - kein Klassiker fehlte. Dass die große Gruppe quasi aus dem Stand „Leise rieselt der Schnee“ sozusagen herzerweichend stimmig singen konnte, war eines der großen Mirakel dieses Abends. Aber war es das wirklich? Denn schnell wurde klar, dass gemeinsames Singen ganz viel mit Kommunikation zu tun hat. Zum Glück ist Olaf Kröck ein Kommunikationstalent. Es wurde hin und her geredet, ein lockerer Spruch vom Moderator, eine freche Antwort aus dem Publikum – hier wurde miteinander agiert.

Höhepunkt der gemeinsamen Anstrengungen war das auf vier Stimmen verteilte „O Du fröhliche“ - in diesem getragenen Lied lebt bekanntlich der Geist der Weihnacht, und er war während des Gesangs mit Händen greifbar. „Das war Champions League“, meinte Kröck, sichtlich beeindruckt. Und jeder im Saal hat es nicht nur geglaubt, sondern so empfunden.

Die schönen alten Lieder

Die schönen alten Lieder zu singen, war das Eine. Aber man nahm auch noch ‘was anderes mit. Nämlich die Einsicht, dass beim Singen unter dem Tannenbaum daheim es eben nicht darum geht, möglichst perfekt zu sein. Sondern so zu singen, wie man in diesem Moment fühlt. Bei sich zu sein, und ohne Angst zu singen – die Weihnachtsliederauffrischungsseminarteilnehmer wissen nun, wie es geht. Sei nur Du selbst. Auch beim Singen, und gerade da!

Riesenapplaus für einen tollen Abend im Schauspielhaus, der mit Wham!s „Last Christmas“ so locker wie passend endete. Und gewiss in einigen Familien mit einem selbstbewussten „So, jetzt lasst uns mal ‘was singen!“ heute Abend seine Fortsetzung finden wird. Unterm Tannenbaum, im Glanz der Weihnacht.