Bochum. Einblicke in die Produktion des neuen Zafira Tourers im Bochumer Opelwerk. Eine Reportage.
Am Anfang ist da nur eine Rolle Blech. Kein Haufen, sondern eine 22 Tonnen schwere, silbrig schimmernde Rolle Rohmaterial. Bis aus dem Blech ein Auto geworden ist, durchläuft es im Bochumer Opelwerk das Presswerk, die Komponentenfertigung, den Karosseriebau und die Fertig- und Endmontage.
Seit in Bochum jedoch der neue Zafira Tourer vom Band läuft, ist Wind in die Bude gekommen. Das neue Auto bringt viele Veränderungen im Fertigungsprozess mit sich. „Wir stehen im Moment vor mehreren Herausforderungen“, fasst Unternehmenssprecher Alexander Bazio zusammen.
Zum einen hätte Opel durch die Restrukturierung einige hoch qualifizierte Mitarbeiter verloren, was man nun durch interne Umbesetzung auffangen müsse. Hinzu kommt, dass das neue Modell, technisch gesehen, weitaus komplexer sei. In seiner Ausstattung, der Elektrik und seiner Bauweise. Ein neues Materialkonzept musste her, so effizient auf die neuen Abläufe abgestimmt, dass die Produktion schrittweise auf bis zu 400 Wagen am Tag bis Januar gesteigert werden kann.
Die neue Architektur
175 Millionen hat Opel in Bochum in neue Anlagen investiert, um diese Entwicklung möglich zu machen. Das Geld steckt in Maschinen wie der Großtransformationspresse (GT). Die komplexe Anlage ist so groß wie eine kleine Feuerwehrwache und sieht mit den mannshohen Plastik-Sichtfenstern auch so aus. Mit einem dumpfen, lauten Knall und mit hoher Geschwindigkeit prallen die Werkzeuge der Presse aufeinander und formen aus dem flachem Stück Blech die Passform eines Außenteils der Karosserie. Viermal hintereinander wird das Stück Blech weitergereicht, viermal prallen die Presswerkzeuge aufeinander und zerdrücken das Blech.
Lauter als die Maschine ist nur das Radio, das im Hintergrund plärrt. Grönemeyer singt. Wenn Patriotismus ein Geräusch wäre, so würde er klingen. Kleine „I love Bochum“-Aufkleber kleben an einer Ecke, ein metallener Geschmack liegt in der Luft.
Vor der komplett abgesicherten Anlage stehen die Pressenarbeiter. Sie überwachen die Arbeit der Presse per Knopfdruck von außen. Nachdem die Maschine eine bestimmte Stückzahl an Teilen für den neuen Zafira hergestellt hat, drückt einer von ihnen ein paar Knöpfe. Die Maschine wechselt die Werkzeuge und produziert in Folge Fertigungsteile für den Astra. So wie hier laufen die meisten Arbeiten im Presswerk ab. Der Mensch überwacht, der Roboter führt aus.
Komponentenfertigung
Anders sieht es in den Einlegestationen aus: In den Zellen, kleinen in sich geschlossenen grauen Metallkästen, ist der schreiend gelb-lackierte Roboter damit beschäftigt, etwa die Innen- und die Außenseite einer Tür zusammenzuschweißen. Funken spritzen und es riecht nach verbranntem Zink und Maschine, obwohl die laut sirrende Lüftung auf Hochtouren läuft.
Der Arbeiter, der vor der Zelle steht, nimmt währenddessen die verschiedenen Kleinteile, die der Roboter braucht, aus den nahestehenden Containern und packt sie in die Halterungen in der Maschine daneben. Dann drückt er den Startknopf und der Roboter an dieser Maschine beginnt mit dem Zusammenschweißen.
In rund 50 solcher Schweiß-Zellen führen Roboter und Menschen in Werkhalle D3 ähnliche kleinteilige Arbeitsschritte aus. Das Puzzleprinzip, nach dem hier unten schrittweise die einzelnen Teile der Karosserie zusammengeschweißt werden, ist für Opel Freund und Feind zugleich. Vorteil ist es für die Firma dann, wenn dadurch die Arbeit in viele Arbeitsschritte aufgeteilt und parallel gearbeitet werden kann.
Das Materialkonzept
Als schlecht erweist es sich, wenn oben in der Fertigmontage alle paar Minuten ein sirenenhaftes Geheule zu hören ist. Dann steht das das Band still und zwar für alle, weil es an einer Station hakt. Hier, in Halle D4, hat sich das Stück Blech bereits in ein erkennbares Autogestell verwandelt.
Nachdem die Karosserie in der Lackiererei das erste Mal Farbe gesehen hat, erhält sie in der Fertigmontage ihr Innenleben. Auf einem breiten Fließband ruckeln die Fahrzeuge in langsamem Tempo vorbei. Langsam erscheint es jedoch nur Außenstehenden. Für den Mitarbeiter ist die Zeit kurz. Zu kurz, wenn nicht jeder Handgriff sitzt. Die Mitarbeiter fahren auf elektrisch steuerbaren kleinen Stühlen, die oben am Transportierband verankert sind, in die Wägen rein und montieren in sitzender Position Armaturenbrett, Griffe oder Rückspiegel. Anders als früher stehen alle Materialien, die montiert werden, im Wagen in einer Box bereit. Da die Modelle quer durcheinander auf dem Band laufen, müssen die Facharbeiter alle Arbeitsschritte ihrer Gruppe auch für alle Modelle im Kopf haben. Das neue Materialkonzept, alle Teile bereits im Auto liegen zu haben, spart Zeit. Doch noch erfordert die neue Arbeitsweise mehr Zeit, als das Band den Arbeitern gibt: Alle fünf Minuten schrillt in einem anderen Bereich das Alarmsignal, weil es hakt.
Mehr Elektronik
Die „Hochzeit“, der einstige Höhepunkt, ist beim neuen Zafira-Modell unspektakulär. Das Zusammenfügen von Karosserie und Fahrwerk erledigen die Roboter fast von allein. Die Mitarbeiter am Fließband ziehen nur noch ein paar Schrauben nach, fertig. Heute ist der eigentliche Höhepunkt der Schritt danach: die Programmierung des Wagens. Während das Fließband erneut weiterläuft, sitzt eine Mitarbeiterin mit einem Prüfgerät im Fahrersitz und kontrolliert alle elektronischen Funktionen. Per Knopfdruck prüft sie, ob die Rückfahrkamera im Heck oder die Ultraschallsensoren im Außenspiegel funktionieren.
Der Blick nach vorne
Die neuen Ausstattungsoptionen sind ein zeitlicher Mehraufwand. Bazio ist dennoch zuversichtlich, dass Opel die Stückzahl von 400 Tourer 2012 erreichen wird. „Es ist eine Herausforderung, aber nach einer Zeit der schlechten Nachrichten ist es Zeit in die Zukunft zu schauen“, sagt er. „Wir wollen uns wieder auf das konzentrieren, was wir am besten können: Autos bauen.“