Bochum. . Emel Aydogdu erhielt in Berlin einen Sonderpreis der Mercator-Stiftung. Die 21-Jährige hatte die Sehnsüchte ihrer Oma nach der Heimat im Film festgehalten. Anlass war das Anwerbeabkommen mit der Türkei vor 50 Jahren.

Wie nur soll man das Wort Heimat beschreiben? Kreativ wollte sie damit umgehen, so viel stand von Anfang an fest. Denn das waren die Vorgaben des deutschlandweiten Wettbewerbes „Heimat Almanya – Zeig uns dein Deutschland.“ Emel Aydogdu saß vor ihrem Computer und überlegte.

Viel könnte die 21-Jährige zu diesem Thema berichten. Eine junge Frau, die mit fünf Jahren aus der Türkei nach Bochum kam, allein mit ihrem kleinen Bruder. „Unsere Eltern konnten erst Monate später nachreisen – aus politischen Gründen“, erzählt die 21-Jährige heute und blickt zu Boden. Derweil wohnten Emel und ihr Bruder bei Oma und Opa in Weitmar – Die Großeltern waren bereits Jahre zuvor nach Deutschland gekommen. Kein Tag verging, an dem Emel sich nicht fragte, ob sie ihre Eltern jemals wiedersehen würde.

Als es endlich soweit war, lebte die kleine Familie zunächst in einem Asylantenheim. Mit der Sprache kam Emel in den ersten Monaten überhaupt nicht zurecht. „In der Vorschule lernte ich dann endlich richtig Deutsch“, doch sie gesteht: „Mit den Artikeln habe ich noch immer meine Probleme.“ Wer ihr zuhört, merkt davon nichts.

Nach und nach knüpfte Emel feste Freundschaften, fühlte sich immer heimischer im Ruhrgebiet, das sie liebevoll „mein Pott“ nennt. Seit ihrem 13. Lebensjahr nimmt sie am Jungen Schauspielhaus an Veranstaltungen und Lesungen teil, ist Hospitantin am Theater und arbeitet als freie Regisseurin. Auf der Bühne fühlte sich Emel von Anfang an wohl: „Das Theater ist ein Mittel für mich, mich künstlerisch auszudrücken. Hier ist es unwichtig, ob ich ,Der, Die oder Das` sage. Ich darf frei interpretieren und improvisieren“, so die Studentin der Kunstgeschichte und Religionswissenschaften.

Mit 16 Jahren nahm sie die deutsche Staatsbürgerschaft an, machte im vergangenen Jahr ihr Abitur an der Goetheschule. Doch fühlt sie sich wirklich heimisch hier? „Als Kind war es schon ein Problem, denn ich war für die Deutschen ja immer die Türkin“, erinnert sich Emel. Oftmals wurde sie gehänselt. Später ging es nicht problemlos weiter. „In der Pubertät überkam mich eine echte Identitätskrise. Ich wusste nicht, ob ich mich als Kurdin, Türkin oder Deutsche fühlen sollte.“ Eine Frage, mit der sie sich heute kaum mehr auseinandersetzt. „Mittlerweile sehe ich mich als Mensch mit drei Identitäten“, sagt sie mit ihrer sanften Stimme und blickt dabei zufrieden auf ihre Hände.“

Emel Aydogdu könnte also genug erzählen -- genug zu Themen wie Heimat, Integration und Migration. Doch sie ließ für den Wettbewerb ihre Oma zu Wort kommen, filmte sie, wie sie heute stolz erzählt, „mit der Kamera, für die ich echt lange gespart habe.“ Die Großmutter sollte erzählen, was für sie das Wort „Heimat“ bedeutet. In dem Video ist eine ältere Frau zu sehen. Stolz sitzt sie in ihrem Sessel und berichtet von ihrem Dorf in der Türkei, erinnert sich an ihre Schwester, an die Berge – erzählt von duftenden Aprikosenbäumen, die in dem kleinen Ort im Südosten der Türkei wachsen. „Mir war wichtig zu zeigen, wie viel Sehnsucht ein Mensch nach seiner Heimat haben kann.“ Ob ihre Oma die Heimat jemals wiedersehen wird, bleibt ungewiss. Und auch Emel kehrte bis heute nicht in die Türkei zurück. Das möchte sie eines Tage nachholen, wer weiß, was noch kommt.

Bis dahin wird Emel ab Januar erst einmal nach Berlin gehen. Wieso? „Ich weiß nicht, ob das Zufall oder Schicksal ist“, sagt sie noch immer überglücklich. Denn der Preis kam wahrlich zur richtigen Zeit. Vor wenigen Wochen wurde Emel gefragt, ob sie nicht an einem Stück in Berlin am „Theater unter Dach“ am Prenzlauer Berg mitwirken wolle. „Natürlich wollte ich, doch sollte ich nachts auf einer Parkbank schlafen?“, fragte sich die junge Studentin. Das wird nun sicherlich nicht mehr nötig sein: Der Sonderpreis „Expedition Almanya“ war mit 4000 Euro dotiert.