Bochum..
Graffiti gibt es bereits seit der Antike und an ihnen scheiden sich die Geister. Betrachten es die einen als Kunst, sehen die anderen es nur als Schmiererei, die kostenintensiv entfernt werden muss. Dass es auch anders geht, zeigt eine neue Richtung der umstrittenen Gestaltungstechnik: Strickgraffiti dienen als Dekoration für allerlei Gegenstände ohne sie zu beschädigen. Ein Trend, der sich weltweit verbreitet und jetzt in Bochum angekommen ist.
Bewundern kann man so ein Strickgraffito seit kurzem an der Oskar-Hoffmann-Straße. Ein bereits kahler werdender Baum hat passend zur Jahreszeit ein buntes Wollkleid bekommen und erregt die Aufmerksamkeit der Passanten.
„Ganz zauberhaft an einem kalten Herbstmorgen.“ so Marion Borsky, die in ihrer E-Mail an die WAZ auf das Kunstwerk aufmerksam macht und nach den Hintergründen und Motiven für diese ungewöhnliche Aktion fragt. (siehe Bild)
Urheber der gestrickten Kunst ist der freischaffende Künstler Ralf Josef Papenheim, der zusammen mit seiner Schülerin Franka Fieseler den Baum vor der Galerie bestrickt hat. „Die Menschen freuen sich über den geschmückten Baum. Das Wollgewand zaubert ein Lächeln auf die Gesichter der Vorrübergehenden, das ist etwas, was in der heutigen Gesellschaft und vor allem in der kommenden kalten Jahreszeit viel zu selten vorkommt“, betont der Maler, der seit Januar diesen Jahres sein Atelier und die Malschule in Bochum betreibt. Vorübergehende Passanten sehen die Aktion durchaus positiv, und besonders bei den Kindern kommt der Baum mit den bunten Bommeln gut an.
Für Papenheim ist der fröhliche Baumschmuck darüber hinaus auch ein künstlerischer Beitrag gegen das Desinteresse und Verstummen der Gesellschaft. „Die Kunst soll helfen, einen Dialog zu starten. Die Leute müssen mehr miteinander reden, wieder etwas sagen und sich auf sich selbst besinnen.“
Der bemantelte Baum soll nach Aussage des Künstlers nicht das einzige Kunstwerk dieser Art bleiben. Unter dem Erkennungsnamen „Die Bommels“ sind in nächster Zeit weitere Strickgraffiti und Dekorationen aus Wolle geplant, die in verschiedenen Ecken Bochums auftauchen sollen. Genaueres wurde allerdings nicht verraten. „Wir möchten, dass die Menschen ihre Umwelt wieder wahrnehmen und vielleicht schaut der eine oder andere in den kommenden Wochen mit einem anderen Blick auf die Stadt.“
Den Bochumern steht ein bunter Herbst bevor und vielleicht greift der ein oder andere Bürger selbst zu Wolle und Stricknadel, die seit einiger Zeit eine Renaissance erleben.
So hat auch Ute Jonetat aus Essen ihrem Hobby eine etwas andere Richtung gegeben, indem sie mit Strickgraffiti Farbe in graue und triste Ecken der Stadt bringt. Sie dekoriert Straßen- und Hinweisschilder mit ihrer Handwerkskunst.
Es bleibt abzuwarten, ob man in Bochum demnächst mehr von dieser Farbenpracht sieht und so nicht erst zu Weihnachten durch geschmückte Bäume eine fröhliche Stimmung aufkommt. Schließlich sorgt nicht nur das Ergebnis, sondern auch das Stricken selbst für ein gutes Gefühl.