Bochum. . Seit Montag wird der neue Zafira Tourer bei Opel Bochum in Serie gebaut. Welche Hoffnungen sich damit für den Standort Bochum verknüpfen, schildert Werksleiter Manfred Gellrich im WAZ-Interview.

An die Produktion des neuen Zafira Tourer knüpfen sich vor Ort große Hoffnungen. Auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt (IAA) lobte die Fachwelt den jüngsten Spross der Modellpalette über den grünen Klee. Manfred Gellrich (48) wertet das als Aufbruchsignal für den Standort Bochum. Seine Sehnsucht nach (endlich) positiven Schlagzeilen könnte gestillt werden. Mit dem Leiter des Werkes sprachen die WAZ-Redakteure Rolf Hartmann und Thomas Schmitt.

Herr Gellrich, seit Montag läuft der neue Zafira vom Band. Das Auto besteht aus vielen Komponenten, woher kommen diese, zum Beispiel die Motoren?

Manfred Gellrich: Unsere Motoren stammen aus unterschiedlichen Werken. Aus Ungarn oder Österreich, zum Teil auch aus Deutschland. Der beste Motor, den wir anbieten, ist ein Eco-Flex mit 130 PS, ein Zwei-Liter-Diesel mit 119 Gramm CO2-Ausstoß. Für dieses schwere Fahrzeug ist dies ein sehr, sehr guter Wert.

Wo kommen die Räder her?

Felgen und Reifen werden geliefert. Ein Dienstleister montiert daraus in unserem Reifenkeller fertige Räder.

Wie viele Zulieferer haben Sie und wie viele Menschen sind dort beschäftigt? Die IHK schätzt, dass 40 000 Arbeitsplätze in der Region am Bochumer Werk hängen.

Die genaue Zahl der Beschäftigten bei unseren Zulieferern kann ich Ihnen nicht sagen. Ich denke, 40 000 ist eine hohe Zahl, es dürften weniger sein. Gleichwohl arbeiten wir allein in NRW mit rund 150 Betrieben zusammen.

Es ist am Standort Bochum immer die Rede von vier Modellvarianten. Welche genau sind das?

Wir bauen den Astra als Caravan und als Fünftürer, hinzu kommen der bekannte Zafira Family und jetzt der neue Zafira Tourer.

Wie hoch wird Ihre Produktion in diesem Jahr ausfallen und was planen Sie für 2012?

In diesem Jahr dürften wir bei 136 000 Fahrzeugen liegen, fürs nächste Jahr peilen wir 165 000 bis 170 000 an.

Wie viele Zafira Tourer sollen vom Band laufen?

Rund 110 000 Stück.

Wie lange werden Sie die anderen Modelle produzieren?

Den Astra mit Sicherheit noch im nächsten Jahr und der jetzige Zafira wird nach aktueller Planung noch bis 2015 produziert werden.

Wann wird das neue Auto bei den Händlern stehen?

Wir müssen jetzt erst einmal viele Fahrzeuge produzieren, um die Showrooms bestücken zu können. Für Interessierte planen wir am 19. November einen Produkttag. Im Internet können sich Kunden ihr Modell bereits jetzt konfigurieren. Auf den Straßen in Deutschland wird das Fahrzeug sicherlich ab Januar zu sehen sein.

Die positiven Reaktionen auf der IAA in Frankfurt führten dazu, dass Sie 75 Kündigungen zurücknahmen und jetzt mehr Leute beschäftigen können als geplant. Haben Sie zu viel Personal abgebaut und müssen Sie möglicherweise nun wie an anderen Standorten auch Leiharbeiter beschäftigen?

Wir müssen das geplante Volumen natürlich mit unserem Personal bauen können. Darauf arbeiten wir hin. Wir werden aber rund 120 bis 150 Mitarbeiter, die sich derzeit in Kurzarbeit befinden, zurück ins Werk holen, um die Produktion in der Anlaufphase zu stabilisieren.

Der geplante Stellenabbau geht parallel dazu aber bis zum Frühjahr weiter. Wie viele Mitarbeiter bleiben am Ende übrig?

Inklusive der Getriebefertigung werden es rund 3200 sein. Wenn die Getriebefertigung Ende 2013 ausläuft, fallen wie geplant 300 Arbeitsplätze weg.

Sie könnten aufgrund der Größe des Werkes deutlich mehr Autos in Bochum produzieren.

Der Aufbau einer zweiten Linie wäre technisch möglich. Angesichts unseres Portfolios und unserer aktuellen Perspektive gehen wir aber nicht davon aus, dass wir in absehbarer Zeit eine zweite Linie aufbauen.

2012 will Opel wieder Gewinne schreiben. Wird die Stadt Bochum in Form von Gewerbesteuern profitieren oder ist das eine Illusion?

Am Standort Bochum stehen wir in diesem Jahr wegen der Restrukturierung und den Kosten für den Zafira-Anlauf nicht sehr positiv da. Wir führen aber im nächsten Jahr eine dramatische Verbesserung herbei. Die Wirtschaftlichkeit wird wieder hergestellt. Welchen Einfluss das auf die Gewerbesteuer hat, kann ich nicht sagen.

Dramatisch verbessern, das heißt, Sie wollen und müssen im nächsten Jahr die Kosten senken.

Ja, und zwar in der Fertigung und bei den Lägern für unsere Materialien . Ziel ist es, Einheiten zusammenzubringen und Teile der Werke fast energielos zu schalten. Wir müssen uns Gedanken über die Getriebefertigung in Werk 2 machen. Soll dort in kurzer Zeit sehr viel produziert werden oder länger und mit nicht so langen Produktionszeiten?

Das Werk 2 ist für den Standort Bochum ein hoher Kostenfaktor.

Die Gesamtfläche beträgt 450 000 Quadratmeter, das sind annähernd fünf Fußballplätze. Wir benötigen davon 25 000 bis 30 000 qm. Für den Rest müssen wir eine Verwendung finden.

Der Vorsitzende des Betriebsrates Rainer Einenkel sprach davon, dass bei Opel unter Tarif bezahlt wird.

Das trifft nicht zu. Wir haben viele Vereinbarungen getroffen, die diesen Standort sehr flexibel für die Fertigung machen. Dazu gehört die Produktion an Samstagen und Sonntagen, für die es keine teuren Zuschläge, sondern Zeitgutschriften gibt. Diese Vereinbarung gibt es seit 2005. Wir befinden uns in Absprache mit der IG Metall auf tarifsicherem Gebiet.

Der Arbeitsdruck im Werk Bochum ist hoch. Die Zahl der psychisch Erkrankten liegt laut BKK-Studie über dem Branchenschnitt.

Es gibt Dinge, die der Motivation in den letzten Jahren nicht gut getan haben. Die Mitarbeiter, die jetzt in der Fertigung arbeiten haben die Gewissheit, dass die Restrukturierung an ihnen vorbei gegangen ist. Wir wollen das Signal von der IAA nutzen und die Motivation an diesem Standort wieder aufbauen.

Die Produktion des neuen Zafira stellt hohe Anforderungen.

Unsere Mitarbeiter müssen neue Operationen kennenlernen und die Handfertigkeit bekommen – nach vielen, vielen Wiederholungen nachdem viele, viele Fahrzeuge gebaut sind – den Zafira Tourer genau so flüssig zu bauen wie einen Astra oder den Zafira Family. Das bewirkt sicherlich für den einen oder andern, dass er einen gewissen zusätzlichen Druck verspürt.

Aber wenn die Anlaufphase vorbei ist, müssen mehr Fahrzeuge gebaut werden.

Wenn wir uns mit anderen Werken vergleichen, müssen wir besser werden.

Heißt, Sie werden das Band schneller laufen lassen.

Wer werden dafür sorgen, dass die Kosten pro Fahrzeug sich massiv und deutlich verbessern. Eine Möglichkeit ist das Hochtakten, eine andere die Umplanung von Arbeitsinhalten. Wir versuchen beides zu machen. Im Augenblick produzieren wir auf der Linie 34 Fahrzeuge pro Stunde. 2012 könnten es zwei bis drei Fahrzeuge pro Stunde zusätzlich werden.

Was war bisher die Spitze?

2007 haben wir 55 Astras und Zafira pro Stunde gebaut.

Mit mehr Mitarbeitern.

In der Relation haben wir 2007 günstiger produziert als 2010. Wir rechnen in aufgewandte Arbeit pro Fahrzeug. Wir liegen heute zehn bis 15 Prozent schlechter als damals. Im nächsten Jahr wollen wir im Vergleich zu 2007 um 10 Prozent vom jetzigen Punkt aus gesehen besser sein, das bedeutet eine Verbesserung gegenüber 2011 um 25 Prozent.

Wie stark ist der Einfluss von General Motors? Wird weiterhin diktiert oder wieder stärker moderiert?

Die Restrukturierung des Standortes ist eine Zielvereinbarung, das Ziel ist das gleiche in Detroit, in Rüsselsheim und in Bochum. Verbunden ist damit eine 175 Millionen-Euro-Investition. Wir müssen unser Ziel erreichen. Ansonsten sehe ich niemanden aus Detroit, der direkten Einfluss auf das Geschehen hier in Bochum nimmt. Das ist für uns ein akzeptabler Weg. Wir profitieren davon, dass GM uns weltweit Möglichkeiten unterschiedlicher Natur bietet. Zurzeit werden wir von Fachkräften aus Spanien, England, Gleiwitz und Rüsselsheim unterstützt.

Was wünschen Sie sich für die nahe Zukunft?

Dass unsere Mitarbeiter wieder Anerkennung für ihre Arbeit erfahren. Bochum ist nicht berühmt wegen der Umstrukturierung, sondern wegen seiner Stärken. Das Besondere an unserem Standort ist, dass wir so komplexe Fahrzeuge in hervorragender Qualität bauen können.