"Ich weiß, dass ich was Schlimmes und Grausames getan habe. Ich habe das Beste, was ich in meinem Leben gehabt habe, verletzt."

Mit diesen Worten begann am Mittwoch ein 36-jähriger Familienvater aus Wattenscheid davon zu erzählen, wie er am 26. Februar 2009 in Wattenscheid seiner damaligen Ehefrau (31) mit einer ein Meter großen Axt beide Beine zertrümmert und ihr das Gesicht zerschnitten hatte. Die Mediendesignerin hatte sich von ihm wegen Gewalt in der Ehe trennen wollen. "Wenn du mich verlässt, hacke ich dir die Beine ab", soll der mehrfach vorbestrafte Mann bereits zu Neujahr gedroht haben. Nur aus Angst war die Frau, die von ihm einen Sohn (2) und aus einer anderen Verbindung einen weiteren Sohn (8) hat, bei ihm geblieben.

"Du weißt ja jetzt, was passiert"

Am 25. Februar aber gab es erneut heftigen Streit. Die Polizei verwies ihn für zehn Tage aus der Wohnung. Der 36-Jährige betäubte seinen Frust in dieser Nacht bei einem Bekannten mit viel Schnaps (den er gewohnt war, wie auch Cannabis) und fuhr dann um 5 Uhr früh mit einem Drittschlüssel zurück in seine Wohnung, wo die Frau und die Kinder schliefen. Nach erneutem Streit griff er zu der Riesenaxt. "Du weißt ja jetzt, was passiert", soll er ihr gesagt haben. Erst schlug er die Frau im Wohnzimmer mit der stumpfen Seite des Beils zu Boden, dann hackte er mindestens 15 Mal mit der scharfen Schneide auf beide Ober- und Unterschenkel ein, so dass es zu multiplen offenen Knochenbrüchen kam. Seine Mitleidlosigkeit war unsagbar. "Ich habe sie geschlagen, damit sie mir nicht wegläuft", sagte der kräftige Mann mit dem schulterlangen schwarzen Haar vor der 1. Strafkammer. "Ich war wütend. Ich habe richtig Rot gesehen." Laut Anklage wollte er sie unattraktiv machen für andere Männer.

Kinder flehten um Erbarmen

Als ein Kind flehte, aufzuhören ("Die Mama, die brauch ich doch noch!"), legte der Rasende das Beil weg und holte aus der Küche zwei Messer. Damit zerschnitt er der wehrlosen Frau dann das Gesicht - mit ebenfalls mindestens 15 Schnitten, um sie zu entstellen. Offenbar als Zeichen besonderer Demütigung und Allmacht zwang er das stark blutende, von höllischen Schmerzen durchgeschüttelte Opfer zwischendurch zu einem Kuss: "Ich habe ihr gesagt: Gib mir einen Kuss. Dann hat sie mir noch einen Kuss gegeben."

Außer sehr vielen Jahre Haft droht dem arbeitslosen Schreiner auch die Abschiebung. Er ist Libanese. Als abgelehnter Asylbewerber hat er in Deutschland nur einen Duldungsstatus. Vor Gericht spricht er ohne jeden ausländischen Akzent in klassischem Ruhrgebietsdeutsch. Sein ganzes Erzählen ist von ausschweifender Redseligkeit geprägt, mit deutlichen Einschlägen von Selbstmitleid. Gleichzeitig redete er über seine damalige Ehefrau trotz zwischenzeitlicher Liebesbekundungen sehr schlecht und vorwurfsvoll und stellte sich selbst - anders als die Frau - als verantwortungsvollen, gewissenhaften und fleißigen Familienvater hin, der sich um Haus und Kinder gekümmert habe. Die vier wohnten zur Miete in einem teuren Einfamilienhaus. Das Geld dazu stammte von der Frau bzw. ihrer Familie.

Opfer sitzt heute im Rollstuhl

Die Frau, eine Deutsche, ist mittlerweile von ihm geschieden. Sie sitzt aber heute im Rollstuhl. Im Gesicht sind Narben erkennbar. "Ich schrie hysterisch und geriet in eine noch nie erlebte Panik", schilderte die zierliche Frau vor Gericht das unfassbare Kerngeschehen. Im Zeugenstuhl machte sie einen sehr tapferen Eindruck. Einmal weinte sie aber spontan - nachdem sie erwähnt hatte: "Der Kleine fragt mich jeden Tag: Warum hat der Papa das gemacht?"

Dem sauberen Bild, das der Angeklagte von sich gezeichnet hatte, widersprach sie: Er sei "ein Haustyrann" gewesen, habe sie einmal sehr heftig geschlagen und die Kinder "laut, streng und despotisch" erzogen. Allein seinen Stiefsohn habe er "sozusagen wie einen Kindersklaven" behandelt. Vor der Ehe sei er liebevoll gewesen. "Ich kann nicht verstehen, wie sich ein Mensch in so kurzer Zeit verändern kann." Erst seit 2004 waren sie ein Paar, seit 2006 ein Ehepaar. Zur Heirat entschied sie sich vor allem, weil ihm sonst die Abschiebung drohte, wie sie vor Gericht sagte.

Die Ärzte sagen, so die Frau, dass sie irgendwann wohl wieder werde laufen können, aber nicht mehr so wie früher. Der Genesungsprozess sei lang. Als sie von einer Begleiterin in den Sitzungssälen gerollt wurde, senkte der Angeklagte seinen Kopf lange Zeit in Richtung seines Schoßes.

15 Jahre Höchststrafe

Angeklagt ist schwere Körperverletzung. Nicht versuchter Mord. Grund: Nach der Bluttat war der 36-Jährige zwar geflüchtet, hatte aber einen Nachbarn angerufen ("Ich habe Scheiße gebaut"), er solle mal nach dem Opfer gucken, um es zu retten. Juristisch gesehen habe er damit von einem Tötungsvorsatz wieder Abstand genommen haben. Auf die Strafhöhe dürfte das aber keine oder nur wenige Auswirkungen haben. Nach der Tat hatte er sich seinen zweijährigen Sohn geschnappt und war mit einem Pkw nach Holland geflüchtet. Gegenüber der Polizei, die ihn verfolgte, soll er gedroht haben, dem Kind den Hals umzudrehen, wenn man ihn nicht ziehen lasse. Das wirkte, die Polizei blieb zurück. Einige Stunden später stellte er sich dann aber doch der Polizei, nachdem er seinen Anwalt angerufen hatte.

Am Freitag wird das Urteil erwartet. Die mögliche Höchstrafe beträgt 15 Jahre Haft.