Bochum. .

Die 31 Jahre alte Frau, die gestanden hat, ihren Liebhaber erstochen zu haben, darf derzeit regelmäßig ihr neugeborenes Baby sehen. Was, wenn sie zu einer Haftstrafe verurteilt wird? Darf eine Mutter ihr Kind mit ins Gefängnis nehmen?

Ob der Ehemann der 31-Jährigen Täterin der Vater des Kindes ist, oder das Opfer, ist nicht klar. Wie berichtet, wähnte sich das Opfer, ein 36 Jahre alter Banker, als Vater des drei Wochen alten Kindes. Dieser Spur geht die Polizei nach. „Mutter und Vater haben sich zu einem Gentest einverstanden erklärt“, sagt Kriminalhauptkommissar Udo Hackmann, Leiter der Mordkommission. Wer also wirklich der leibliche Vater des Jungen ist, wird sich in den nächsten Wochen klären.

Besuch in der Justizvollzugsanstalt

Zurzeit befindet sich das Neugeborene in der Obhut des Ehemanns der 31-Jährigen sowie deren Mutter. Und bei diesen Angehörigen soll der Junge auch zunächst bleiben.

„Wenn zuverlässige Familienverhältnisse vorhanden sind, wird das Jugendamt nicht involviert“, sagt Ruth Piedboef-Schaper, Abteilungsleiterin des sozialen Dienstes beim Gesundheitsamt der Stadt Bochum.

Derweil besucht die Mutter der geständigen Frau regelmäßig ihre Tochter in der Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen – und bringt deren Baby mit. „Aufgrund der Ausnahmesituation hat uns die Staatsanwaltschaft ein großzügiges Besuchsrecht eingeräumt“, versichert Egbert Schenkel, Rechtsanwalt der inhaftierten Arzthelferin, die mit einem Arzt verheiratet ist. Dies gelte jedenfalls für den Zeitraum, in dem die junge Frau weiterhin in Untersuchungshaft sitzt.

Was aber, wenn sie verurteilt wird und eine Haftstrafe verbüßen muss? Darf eine Mutter ihr Kind mit ins Gefängnis nehmen? Es dort wickeln, füttern und groß ziehen?

Mutter-Kind-Einrichtung in Fröndenberg

Die Antwort lautet: Ja – jedenfalls wenn die Voraussetzungen stimmen. In Fröndenberg gibt es eine „Mutter-Kind-Einrichtung“, die es straffällig gewordenen Müttern ermöglicht, ihren Nachwuchs mitzunehmen. Unter zwei Bedingungen: Zum einen müsste sich die Frau im offenen Vollzug befinden. Zum anderen muss das Strafende der Mutter spätestens zur Einschulung des Kindes gegeben sein – eher unwahrscheinlich, sollte es im vorliegenden Fall ein Urteil wegen Totschlags oder gar Mordes geben.

Während des ersten Lebensjahres des Kindes arbeiten Mütter während der Inhaftierung nicht. Vom zweiten Geburtstag an bleiben sie und der Nachwuchs in der Justizvollzugsanstalt, die Kinder besuchen vormittags eine Spielgruppe, in der Zeit von 14 bis 18 Uhr dürfen die Insassinnen samt Kind das Haus verlassen. Ab dem dritten Lebensjahr besuchen die Kleinen eine ganz normale Kindertagesstätte außerhalb der Haftanstalt.

Ein Baby braucht seine Mutter

Doch kann es für die Entwicklung eines Jungen oder Mädchens schädlich sein, hinter Gefängnismauern groß zu werden? „Entwicklungspsychologisch gesehen braucht ein Baby seine Mutter“, sagt Professor Dr. Georg Juckel, Chef der LWL-Universitätsklinik. Schließlich seien wir von Natur aus Nesthocker. „Das höchste Gut für ein Kind ist die Nähe und die Geborgenheit seiner Mutter – ganz gleich, ob es diese nun in einem Gefängnis oder dem heimischen Bett bekommt.“ Gleicher Meinung ist Dr. Andreas Richterich, Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Helios-Klinik in Linden. „Die Bindung im ersten Lebensjahr ist für die Kleinen etwas sehr Entscheidendes. Gerade in den ersten Lebenswochen sollte die Mutter Bezugsperson sein.“

Ob die 31-Jährige ihr Baby nach einer Verurteilung mit ins Gefängnis nehmen wird, hängt am Ende sicherlich vom Strafmaß ab.