Bochum. .

Die dreifache Katastrophe im Nordosten Japans ist für die Menschen in der Provinz Fukushima zum Alltagsproblem geworden. RUB-Studentin Patricia Stammsen hat in diesem August Fukushima-Stadt besucht. Sichtbare Schäden gebe es dort nicht, erzählt sie nach ihrer Rückkehr. Aber die unsichtbare Bedrohung durch die Strahlung ist in der Stadt allgegenwärtig.

„Die Atmosphäre hat sich verändert“, sagt Stammsen. Sie studiert Japanologie an der Fakultät für Ostasienwissenschaften. Der Bochumer Lehrstuhl für Geschichte Japans hat eine Partnerschaft mit der Uni Fukushima. „Ich habe von April 2010 bis März 2011 dort gelebt – nur eine Woche vor der Katastrophe am 11. März war mein Auslandsjahr zu ende.“ Die Nachricht vom Erdbeben, dem Tsunami und der Atomkatastrophe erreichte die Studentin kurz nach ihrer Rückkehr. „Ich war zwar froh, dem entkommen zu sein, aber ich habe mich trotzdem schrecklich gefühlt.“

1000 Euro durch Kuchenverkauf

Mit dem Wunsch, etwa unternehmen zu können, machte sich die Studentin an die Planungen einer Spendenaktion. Ohne die offizielle Unterstützung der Bochumer Fakultät für Ostasienwissenschaften organisierte sie einen Kuchenverkauf, der über 1000 Euro einbrachte. Das Geld ging an die Hilfsorganisation „Hearts for Haragama“, in der einige Bekannte von Stammsen aktiv sind, die noch in Fukushima leben. „Ich wusste, dass ich dieser Organisation vertrauen kann.“

Kein Leitungswasser getrunken

Ihre erneute Reise nach Fukushima in diesem August hatte Patricia Stammsen noch in Japan geplant. „Ich habe mich dort sehr wohl gefühlt und wollte meine Freunde unbedingt wiedersehen“, sagt sie. Ein Besuch in der Stadt, die nur etwa 80 Kilometer vom havarierten Atomkraftwerk Fukushima Dai-Ichi liegt, ist nicht ganz ungefährlich. Ihrer besorgten Familie hat sie vorher lieber nicht erzählt, dass sie bei ihrem Urlaub in Japan auch nach Fukushima will. Denn die Informationslage ist schwierig: Angaben über Gefahren und effektive Schutzmöglichkeiten – beispielsweise bei Regen – gibt es kaum. „Jeder dort legt sich seine eigenen Strategien und Theorien zurecht, wie man sich schützen kann“, beschreibt Stammsen das tägliche Leben nach der Katastrophe. „Ich habe zum Beispiel kein Leitungswasser getrunken, kleine Restaurants vermieden, in denen die Herkunft der Lebensmittel nicht ausgezeichnet ist“, so Stammsen. Andere vermeiden den Kontakt zum Erdboden oder heruntergefallenen Gegenständen. „Mein alter Japanischlehrer hat sogar immer einen Geigerzähler dabei.“

„Es war trotz allem schön“

Die Stimmung in der Stadt, die immerhin fast 300 000 Einwohner zählt, sei gedrückt, erzählt die Studentin. „Viele Mütter mit Kindern verlassen Fukushima in Richtung Inland.“ Der Anbau von Früchten spielt in der strukturschwachen Region eine große Rolle. „Hier gefährdet der nukleare Fallout besonders viele Existenzen.“ Trotz aller Sorgen: Der Besuch in der Krisenregion sollte für Patricia Stammsen in erster Linie ein Wiedersehen mit Freunden werden. „Und ich muss sagen, es war trotz allem schön.“ Die Gespräche drehten sich nicht nur um die Lage in den Tsunamigebieten und der Stadt. „Im Gegenteil: Ich hatte sehr stark den Eindruck, dass die Menschen hier lieber über andere Dinge reden, ihren Alltag pflegen wollen.“