Das war der „Hamma“: 3500 Fans zelebrierten am Samstagabend beim Zeltfestival Ruhr (ZFR) eine schweißtreibende Party mit der Multikulti-Band Culcha Candela. Dass die Berliner auch ein gesellschaftspolitisches Anliegen haben, machten Johnny Strange und Mr. Reedoo zuvor im WAZ-Gespräch mit Redakteur Jürgen Stahl deutlich.
Uganda, Korea, Kolumbien, Polen und Deutschland: In Eurer Band finden sich Mitglieder mit Wurzeln in vier Kontinenten. Culcha Candela gilt als gern zitiertes Beispiel gelungener Integration. Welchen Stellenwert hat dieser politische Aspekt Eurer Arbeit, Eures Erfolges für die Band selbst?
Mr. Reedoo: Wir gehen mit diesem Etikett nicht hausieren. Dennoch ist es für uns etwas Besonderes, neben unserer Musik als Integrationsprojekt wahrgenommen zu werden.
Johnny Strange: Wobei das Besondere eigentlich die Normalität ist. Die meisten unserer Wurzeln liegen woanders, bei mir in Afrika. Aber: Wir sind alle Deutsche. Wir sind das neue Deutschland. Wir repräsentierten dieses Land, u.a. in Mittelamerika, wo wir 2010 auf Einladung des Goethe-Instituts unterwegs sein durften.
Reedoo: Nicht alle Deutschen sind blond und blauäugig sind. Dennoch sind wir alle Teil des Ganzen: hier im Ruhrgebiet ebenso wie bei uns in Berlin. Diese Stadt mit ihrer Toleranz hat uns geprägt und die Band möglich gemacht.
Eine Stadt, in der ein Bestsellerautor namens Thilo Sarrazin proklamiert: „Deutschland schafft sich ab.“
Reedoo: Ich werde einen Teufel tun und mich mit diesem Mann und seinem Machwerk beschäftigen. Aber auch für ihn gilt: Jeder soll seine Meinung haben und vertreten dürfen. Wir wollen ja keine Culcha-Candela-Diktatur,
Strange: Neulich habe ich Sarrazin in Kreuzberg in der U-Bahn gesehen. Immerhin: Er traut sich noch unters Volk.
Habt Ihr noch Kontakt zu normalen Jugendlichen, auch und gerade mit Migrationshintergrund?
Strange: Wir versuchen, unsere Freundschaften von früher zu pflegen. Wir sind geerdet. Zudem sind wir regelmäßig für unsere Hilfsprojekte im Einsatz, u.a. für „Alle Kids sind VIPs“ der Bertelsmann-Stiftung, die Integrationsprojekte an Schulen unterstützt.
Reedoo: Dabei zeigt sich, dass die Probleme der heute 16- bis 18-Jährigen nicht anders sind als bei uns: ob mit oder ohne Migrationshintergrund. Gerade ausländische Jugendliche müssen weiter nachhaltig gefördert werden.
Gibt’s unter Euch Gutmenschen auch mal richtig Zoff?
Strange (grinst): Klar doch. Wenn man die Hälfte des Jahres zusammen ist, bleibt das nicht aus. Dabei spielen auch unsere verschiedenen Mentalitäten ‘ne Rolle.
Reedoo: Wir haben eine vernünftige Streitkultur entwickeln. Sonst kann eine Band nicht dauerhaft funktionieren. Erstaunlich: Je länger es uns gibt, desto entspannter wird’s.
Ihr haltet mit Eurer politischen Meinung nicht hinterm Berg. Vermisst Ihr dieses Engagement bei anderen deutschen Künstlern?
Reedoo: Man kann niemanden zum Interesse an Politik zwingen – auch wenn es ein Zeichen geistiger Armut ist. Für uns war und ist es selbstverständlich, neben Partyhits auch Songs mit politischen Aussagen zu veröffentlichen. Das wird bei unserem neuen, zum Jahresende erscheinenden Album nicht anders sein.
Gibt’s Gegenwind von der Plattenfirma?
Reedoo: Die lässt uns freie Hand. Wohl auch, weil sich unsere Alben inzwischen fast von selbst verkaufen.
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