Vor dem Publikum auf der Bühne begann die berufliche Karriere Gerd Beiderbecks, am 17. Juli endete sie dort feierlich. Nach der Vorstellung von „Arturo Ui“ wurde der Applaus unterbrochen, um einen Mann zu verabschieden, der über 40 Jahre lang im Schauspielhaus die Fäden in der Hand hielt. Er kannte acht der neun Bochumer Intendanten. Der Inspizient Beiderbeck geht in den Ruhestand und Armin Rohde schrieb ihm auf eine zum Abschied überreichte riesige Wandzeitung: „Schauspielhaus Bochum ohne Gerd Beiderbeck - kann ich mir nicht vorstellen!“.
Begonnen hatte seine Laufbahn 1970 als Komparse und Darsteller noch in der Intendanz Hans Schallas. „Da siezten sich die Schauspieler noch“, erinnert er sich und auch an den kolossalen Bruch, den Peter Zadek 1972 verursachte. Damals stand er dann noch mit Hannelore Hoger, Jürgen Prochnow und Tana Schanzara auf der Bühne, doch irgendwann wurde der Mann, den nach Selbstzeugnis „am Theater alles interessierte“, zum Inspizienten. Das ist der Koordinator des Abendablaufs, der Mann für alles. Nach seiner ersten großen Premiere in neuer Funktion schenkte ihm Zadek eine Flasche Champagner, eine Schallplatte und einen Brief, in dem stand: „Heute bist du Profi“. Und Profi blieb er dann.
Nur kurz mit Claus Peymann an die Burg
Ein sehr begehrter: Als Claus Peymann das Schauspielhaus in Richtung Burgtheater verlassen hat, wollte er Beiderbeck mitnehmen. Drei Wochen schaute der sich das Theater in Wien an, doch er blieb in Bochum. Später wollte ihn Peymann dann am Berliner Ensemble. Beiderbeck fuhr zum Vorstellungsgespräch nach Berlin – nur um dort mit seinem Schwiegervater Essen zu gehen.
Der gebürtige Bochumer nennt sein Berufsleben „ein Riesenglück“. Deshalb, weil er an einem Haus arbeiten durfte, in dem die Leute arbeiteten, die für die gesamte Theaterlandschaft prägend waren. Es war „wie ein „Karussell“, sagt er, „alle kamen vorbei“. Marianne Hoppe, Bernhard Minetti, Rainer Werner Fassbinder, Ulrich Wildgruber, Heiner Müller, Armin Rohde oder Harald Schmidt. Oder Hermann Beil: „Die Seele vom Buttergeschäft“.
Otto Sander bei den Schwiegereltern
Otto Sander kam sogar gerne einem Wunsch nach, und rezitierte Ringelnatz auf der Goldenen Hochzeit von Beiderbecks Schwiegereltern. Er kann zu jedem Geschichten erzählen. Mehr als nur die üblichen Theateranekdoten aus der Kantine, es sind fast schon kleine Psychogramme, die viel Menschenkenntnis verraten. „Intensivfälle sind meistens die Knallchargen“, weiß er, die Stars dagegen seien eher schüchtern.
Ab jetzt wird er sein Theater durch einen anderen Eingang betreten, er will reisen, seinen geliebten Weinkeller ausbauen und seiner Kochleidenschaft nachgehen. Ein Stuhl in den Kammerspielen trägt fortan seinen Namen. Das ist auch das mindeste.