Bochum.

Die Schauspielhaus-Krise geht nicht nur die Theater-Fans und die Intendanz an, sondern auch die Bochumer Kulturpolitik. Das strukturelle Defizit, das nach der Umwandlung des Hauses in eine Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) entstanden ist, könnte mittelfristig auch den Spielbetrieb beeinträchtigen. Die WAZ beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema.



Warum wurde das Theater zu einer AöR?

Ex-Intendant Matthias Hartmann hatte auf mehr Eigenständigkeit des Theaters gepocht, um unabhängig vom als träge empfundenen kommunalen Apparat das Haus führen zu können. Seinem Wunsch, das Schauspielhaus als GmbH aufzustellen und marktwirtschaftlich zu führen, folgte die Politik allerdings nicht. Man befürchtete städtischerseits, an Einfluss zu verlieren. Die Gründung der AöR war ein Kompromiss.



Was hat das mit der Finanzierung des Theaters zu tun?

Als quasi selbstständige Einheit arbeitet das Schauspielhaus seit 2006 auf eigene Rechnung, d.h. anfallende Kosten werden nicht mehr von der Stadt aufgebracht. Beispiel Personalkosten: In den vergangenen fünf Jahren sind allein wegen Tariferhöhungen 2,4 Mio Euro Mehrausgaben auf die AöR zugekommen, die aus dem laufenden Jahres-Etat (ca. 20 Mio Euro) genommen werden müssen. Nach wie vor handelt es sich bei den Theaterfinanzen um Steuergeld, nur hat sich mit der AöR der Verrechnungsmodus geändert. Personal- und Sachkosten – vom Gehalt der Beleuchter über Energieausgaben bis hin zum Fahrdienst der Intendanz – bedient nicht mehr die Stadtkasse, sondern die AöR.



Wie konnte das Finanzloch entstehen?

Vor allem durch gestiegene Personal- und Energiekosten. Während der vergangenen fünf Jahre sind alle Rücklagen aufgebraucht worden, zu denen auch die Versicherungszahlung (angeblich 8 Millionen Euro) für die abgebrannte Werkstatt in Hamme gehörte. Frisches Geld ist nicht in Sicht. Kämmerer Manfred Busch (Grüne) lehnt es mit Hinweis auf die Haushaltssperre ab, die Deckungslücke des Schauspielhauses aufzufangen.



Was kostet der Spielbetrieb überhaupt?

Der Löwenanteil entfällt auf den Betrieb des Hauses als solches, den geringsten machen die künstlerischen Kosten, etwa die Gehälter der Schauspieler aus. Wie Anselm Weber sagt, fallen pro Jahr allein Betriebskosten von 1,4 Millionen Euro an, „ohne dass jemand überhaupt das Gebäude betreten hätte“. Bleibt alles, wie es ist, muss theoretisch spätestens 2017 der Jahreszuschuss von rund 20 Mio für den technischen/personellen Erhalt des Schauspielhauses aufgewendet werden. Das ist für die Theaterstadt Bochum aber natürlich keine Option.



Wie geht es weiter?

Kulturdezernent Townsend versichert, man werde gemeinsam nach Lösungen suchen. Die Eintrittspreise werden erhöht, der Melanchthonsaal als Spielstätte aufgegeben. Im Herbst soll eine externe Agentur innerbetriebliche Sparansätze herausfiltern.



Wer trägt die Verantwortung?

Anselm Weber jedenfalls nicht. Als die AöR aufs Gleis gesetzt wurde und dann aus der Spur lief, war er noch nicht in Bochum. Umso schockierter war der Intendant, der schon während seiner Zeit am Theater Essen ständig gegen Mittelkürzungen kämpfen musste, als er in Bochum vom Regen in die Traufe kam. Letztlich liegt die Verantwortung wohl beim Verwaltungsrat des Schauspielhauses. Dieser „Aufsichtsrat“, dem neben dem Kulturdezernenten Vertreter der Ratsfraktionen angehören, war stets über die Entwicklung im Bilde, blieb aber untätig.