Bochum..
Gefangen im Teufelskreis: Dr. Georg Juckel (49), Psychiater und Direktor der LWL-Universitätsklinik, beantwortet drei Fragen zum Selbstmord der Bochumer Polizeibeamtin.
Frage: Die Polizeibeamtin, so heißt es, sei an ihren eigenen Ansprüchen zerbrochen. Ein Motiv für einen Selbstmord?
Dr. Georg Juckel: Durchaus. Die beschriebene Persönlichkeitsstruktur deutet auf einen „Typus Melancholicus“ hin: einen Menschen mit extrem hohem, zwanghaftem Leistungsstreben und Pflichtbewusstsein. Wer dauerhaft glaubt, diesem Anspruch nicht gerecht werden zu können, wird oft depressiv und leidet unter einem Burn-Out. Das wiederum führt dazu, noch weniger zu leisten. Trotz des immensen Arbeitsaufwands entfernt man sich zunehmend von jeglichem Zustand des Glücks. Allein ist es sehr schwierig bis unmöglich, sich aus diesem Teufelskreis zu befreien.
Können Familie, Freunde und Kollegen helfen?
Das Problem ist, dass die Erkrankten meist als hervorragende Mitarbeiter wahrgenommen werden: fleißig, strebsam, akkurat, loyal, zuverlässig, stets bereit, Arbeit vor Freizeit zu stellen. Die Erkrankung ist ein Prozess von Jahren. Anzeichen sind Dünnhäutigkeit und regelmäßige Klagen, nichts zu schaffen, obwohl man doch so viel arbeitet. Die Suchtgefahr ist sehr hoch. Um Ruhe zu finden, greift man zum Alkohol. Typisch ist aber auch, dass sich die Betroffenen nach außen wenig bis nichts von ihren seelischen Nöten anmerken lassen. Da reicht dann ein falsch verstandenes Wort, eine als nicht erfüllbar angesehene Zusatzaufgabe, um das Fass zum Überlaufen zu bringen. Dass die Polizistin sich unmittelbar nach einer Dienstbesprechung das Leben genommen haben soll, spricht für diese Theorie.
Sind bestimmte Berufsgruppen besonders gefährdet?
Gefahr droht in den Jobs, in denen das Gebot der Härte regiert. Bundeswehr, Polizei, Feuerwehr, bei uns Ärzten: Wo man meint, sich keine Schwächen erlauben zu dürfen, stets Höchstleistungen vollbringen zu müssen, ist besondere Vorsicht geboten. Das gilt vor allem für Frauen, die glauben, mehr als Männer leisten zu müssen. Der Fall der Polizeibeamtin ist auch vom Alter her klassisch. Mit 55 ist man körperlich und nervlich nicht mehr ganz so belastbar – und um so gefährdeter, an seinen überhöhten Anforderungen zu scheitern.