Bochum. Das Industriemuseum Zeche Hannover zeigt bis Mai eine bemerkenswerte Foto-Ausstellung über einen ungewöhnlichen Segeltörn: Wie Blinde und Sehbehinderte „Das Meer sehen“. Ein Abenteuer im doppelten Sinn!

„Das Meer sehen“: Für Blinde und Sehbehinderte bleibt dies ein Wunsch, der nie in Erfüllung gehen kann. Doch wenn sie es auch nicht sehen, so können sie doch das Meer spüren - mit allen anderen Sinnen. Ein Abenteuer im doppelten Sinn!

Der Fotograf Dariusz Kantor begleitete eine Blinden-Gruppe, die sich mit einer sehenden Besatzung auf einem Segelschiff auf die Ostsee begab. Eine Auswahl seiner 2008 und 2009 entstandenen Fotografien präsentiert nun der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) in seinem Industriemuseum Zeche Hannover.

Mannschaft bestand zur Hälfte aus blinden und sehbehinderten

Die Idee zu dem ungewöhnlichen Aufbruch hatte der blinde polnische Shanty-Musiker Roman Roczek. Kaum einer konnte sich anfangs vorstellen, dass seine Idee „Das Meer sehen“ Wirklichkeit werden würde. Dass der Weitblick eines blinden See-Enthusiasten die Vorstellungskraft eines Sehenden manchmal überschreitet, dürfte nicht wundern. Aber tatsächlich fasste Roczek ein Ziel ins Auge, das manchen Horizont übersteigt: Denn ein Kapitän vertraute sein 42 Meter langes Schiff mit 625 Quadratmetern Segelfläche einer Mannschaft an, die zur Hälfte blind und sehbehindert war. Die Crew des Schoners „Zawisza Czarny“ bestand aus vier Achtmann-Wachen, die jeweils zur Hälfte mit Sehenden und Blinden besetzt waren.

Unvergessliches Erlebnis

Hunderte Segelmeilen zwischen Gdynia, Bergen, Helsinki und Tallin wurden in Angriff genommen. Um die gesteckten Ziele in zehntägigen Törns erreichen zu können, war Teamarbeit gefragt. Der Dreimastschoner bot keinen Platz für Betreuer oder Therapeuten. Vom Segelsetzen bis zur Navigation - alle an Bord waren gefordert und mussten ihre Fähigkeiten einbringen. So entstand eine Gemeinschaft, die die Reise für jeden zu einem unvergesslichen Erlebnis machte.

„Die eindringlichen Fotografien dieses Segeltörns von Dariusz Kantor zeigen die Erfahrungen und das Miteinander der Menschen - und lassen spüren, dass Sehen nicht alles ist“, betont LWL-Museumsleiter Dietmar Osses. Kantor, geboren 1967 in Zabrze/Polen, lebt und arbeitet in Herne und in Oberschlesien. Er sagt: „,Das Meer sehen’ ist mehr als ein Abenteuer. Oft ist es der Kampf mit sich selbst, manchmal der Tritt zurück ins Leben. Immer ist es die Chance, einfach die Augen zu öffnen – allen.“