Bochum.

Das Neue Gymnasium Bochum (NGB) war schulpolitisch möglicherweise unabweisbar, aber dass dafür Kunst vernichtet werden muss, war nicht vorgesehen. Und doch ist genau das passiert: am früheren Schulzentrum Wiemelhausen pulverisierte der Bagger Otto Herbert Hajeks Betonplastik „3 Schulen unter einem Dach“.

40 Jahre hatte sie dort gestanden und eigenwillig, doch sinnreich ihrem Titel Ehre gemacht. Für Generationen von Schülern war die farbenfrohe Skulptur Hingucker, Begleiter und Sitzgelegenheit in einem. Jetzt ist sie selbst zu dem Staub geworden, der sich auf ihre Geschichte legt.

„Nicht zu fassen!“ – WAZ-Leser Klaus Kuliga konnte nicht glauben, was er an diesem schönen Frühlingsmorgen live miterlebte. Der Kunstfreund, der die Website www.artibeau.de - eine umfassende Dokumentation von Kunst im öffentlichen Raum in Bochum – betreibt, war schockiert von dem radikalen Bagger-Zugriff: „Vor ein paar Wochen diente die Hajek-Plastik den städtischen Honorationen noch als schöne Kulisse für den ersten Spatenstich zum NGB. Und jetzt ist sie weg!“ Warum? Die Versetzung der auf einmal als „architektonisch unpassend“ empfundenen Betonplastik in den Randbereich des Geländes hätte angeblich 60.000 Euro verschlungen.

1970 fertig gestellt

Otto Herbert Hajek (1927-2005) gehörte seit den 1950er Jahren zur Avantgarde der informellen Bildhauer in Europa. Später ging er dazu über, Beton als künstlerisches Material einzusetzen. Der damalige Bochumer Oberbaudirektor Bruno Buchholz war Anfang der 1970er Jahre auf Hajek und sein Werk aufmerksam geworden. In der Folge erhielt der Künstler unter dem Arbeitstitel „Bochumer Frühling“ den Auftrag, zwölf Schulneubauten, vorwiegend Turnhallen und Aulen, zu gestalten - das erste Projekt war das neue Schulzentrum Wiemelhausen, 1970 fertiggestellt, mit der Albert-Einstein-Schule (Gymnasium), der Hans-Böckler-Realschule und der Carl-Arnold-Kortum-Hauptschule (bis 2000). Hier gestaltete Hajek im Unterschied zu den anderen elf Schulen nicht nur Fassaden, sondern zusätzlich die besagte farbige Beton-Plastik, die die „3 Schulen unter einem Dach“ symbolisierte.

„Bochumer Frühling“

Hajek verstand seine Objekte als „Farbwege“, „Raumknoten“ und „Stadtzeichen“. Er forderte eine Verschmelzung von Architektur, Kunst und Umwelt. Der Bildhauer, der ab 1954 als freischaffender Künstler in Stuttgart lebte, erweiterte seine künstlerische Tätigkeit immer wieder in den öffentlichen Raum hinein. Das brachte Lob, sorgte aber auch für harsche Kritik. So sah die WAZ seinerzeit Hajeks „Bochumer Frühling“ schon als „Ausgangspunkt einer neuen städtebaulichen Entwicklung, der zu einer Bewältigung der brutalen Betonarchitektur“ führen könne. Dagegen wehrten sich die lokalen Künstler mit Demonstrationen gegen die Vergabe der bei Bochumer Schulneubauten für Kunst am Bau verfügbaren Mittel an einen Stuttgarter.

Auch Gräsel-Plastik ist gefährdert

Die Hajek-Plastik ist übrigens nicht das einzige Kunstwerk, das durch aktuelle Baumaßnahmen akut gefährdet ist. Auch um Friedrich Gräsels Animationsplastik auf dem Schulhof des ehemaligen Gymnasiums am Ostring hat sich anscheinend niemand gekümmert - wenn man den trostlosen Zustand der Skulpturen betrachtet, offenbar schon seit 1980 nicht mehr. Nun soll das Gelände bekanntlich für den Neubau des Justizzentrums freigemacht werden; nicht wenige Kunstfreunde befürchten, dass dafür die Gräsel-Plastiken ebenso mir-nichts-dir-nichts zu Staub zermahlen werden könnten wird wie das Hajek-Objekt in Wiemelhausen.