Nachdem im letzten Heft noch „Helden“ besungen wurden, treiben nun in der frisch erschienenen 24. Ausgabe der Literaturzeitschrift Macondo „Schurken“ ihr Unwesen. Auf 116 Seiten tummeln sich Ganoven, Klein- und Großkriminelle und andere Handlanger des offenen und des perfiden Bösen. 28 Autoren und 13 Fotografen haben die Herausgeber Petra Vesper und Frank Schorneck aus über 400 Einsendungen zum Thema herausgefiltert und präsentieren sie wie immer auf hochwertigem DIN A4 Papier mit schwarz-weißer Fotografie.
Dabei drohte das publizistische Projekt, das seit 1998 existiert, auch zum Opfer einer von manchem als „schurkisch“ wahrgenommenen Institution zu werden. Das Finanzamt erkannte den Herausgebern die Gewinnabsicht ab und stufte die Produktion des zweimal jährlich erscheinenden Heftes als „Hobby“ ein. Die Folge laut Frank Schorneck: „Das finanzielle Risiko und die enormen Kosten für Druck und Vertrieb sind für uns nicht mehr kalkulierbar“. Deshalb wurde quasi die Notbremse gezogen und die Auflage der Ausgabe drastisch reduziert (von 10000 auf nur noch 1000), zudem ist das Magazin nun nicht mehr bundesweit im Zeitschriftenhandel vertreten.
Hochwertige Fotografie
Der Vertrieb setzt nun ganz auf ausgewählte Buchhandlungen, Abos und das Internet. Inhaltlich hat sich an der bewährten Mischung aber nichts geändert. Viele Newcomer und Debütanten stehen neben etablierten Namen, wichtigen Neuerscheinungen wird viel Raum im Rezensionsteil eingeräumt, hochwertige Fotografie bestimmt das edle Layout.
Ein besonderer Leckerbissen der Edition ist ein großes Interview, das Petra Vesper mit dem berühmten Autoren John Irving geführt hat. Mit dem Autor von „Garp und wie er die Welt sah“, „Das Hotel New Hampshire“ und „Gottes Werk und Teufels Beitrag“ spricht sie darin über seinen letzten Roman, über seine Arbeitsweise und seine kürzlich überstandene Prostatakrebserkrankung. Irving verrät dabei viel aus seiner Schreibwerkstatt, aber auch Details aus seinem Leben. Er plaudert über Charles Dickens, Kurt Vonnegut, übers Kochen und über das Leben allgemein: „Das wirkliche Leben ist viel schlampiger als ein Roman“, sagt der 59-jährige US-Amerikaner.
Herr Lehmann auf Speed
Bekannte Namen sind vertreten (Markus Orths, Brigitte Schär), aber auch spektakuläre Debüts. Ein heiß erwartetes ist als Vorabdruck-Romanauszug vertreten: Tino Hanekamps in diesen Tagen bei Kiepenheuer & Witsch erscheinender Roman „So was von da“ handelt von einem Tag auf dem Kiez in St.Pauli und wird im Rezensionsteil von Schorneck als „Herr Lehmann auf Speed“ gelobt. Der junge Autor Hanekamp ist neben der Schreiberei einer der Betreiber des berühmten Clubs „Uebel & Gefährlich“.
Stolz sind die Herausgeber auf die deutsche Erstveröffentlichung einer Kurzgeschichte von Clare Wigfall. Diese steht derzeit auf der Longlist für den mit 20 000 britischen Pfund dotierten „Sunday Times EFG Short Story Award. „Leute wie wir“ erzählt eine Geschichte von Bonnie & Clyde und deren literarischen Ambitionen. Bebildert ist sie mit einer Bilderserie von Alexander Lebrenz, die dem Leben des berühmten Gangsterpärchens gewidmet ist und geradezu wie gemacht für die Illustration der Kurzgeschichte scheint. Lebrenz ist auch für das Coverfoto verantwortlich.
Nächstes Thema: Inseln
Trotz der finanziellen Schwierigkeiten wollen die Bochumer weitermachen und auch in Zukunft zwei Ausgaben pro Jahr produzieren. Die nächste soll entsprechend noch im Herbst diesen Jahres erscheinen und widmet sich dann dem Thema „Inseln“.