Dieser Siegfried ist anders. Kein strahlender Held, sondern ein brutaler Gauner. Das Rheingold ist nicht im Rhein, sondern Etzel zugefallen und wird in dessen „Hauptquartier“ aufbewahrt. Von dort will Siegfried es stehlen, dazu braucht er Helfer. Einer der Experten ist Hagen von Tronje. Problem: Der hat sich in Spanien niedergelassen und brät in der Sonne. Ist im Ruhestand. Dabei leistet ihm Kriemhild Gesellschaft. Siegfried reist an und terrorisiert fortan das Paar.
Soweit die Story, die weder das Nibelungenlied, noch Richard Wagners „Ring“ in dieser Form vorgeben. Vielmehr stammt der Plot aus Jonathan Glazers Film „Sexy Beast“ aus 2000, in dem Ben Kingsley unvergesslich den nervigen Gangster gibt.
Im restlos ausverkauften Gewölbe des Rottstr5-Theaters sind die Biografien der drei Hauptpersonen mit einigen Fragmenten des Nibelungen-Mythos aufgeladen. Zusätzlich werden Zitate und Fragmente aus der Populärkultur fulminant drüber gekübelt. So war Kriemhild einst eine Art Pornodarstellerin, Siegfried hat mal im Büro gearbeitet und Hagen kühlt sich erst mal das Gemächt mit einem nassen Lappen.
Pulp-Kammerspiel
Regisseur Hans Dreher kann sich in diesem bösen Pulp-Kammerspiel voll auf seine Darsteller verlassen. Arne Nobel gibt dem Rentner-Gangster Hagen eine müde, traurige Gestalt, dem aber immer noch eine gewisse brutal-proletische Verschlagenheit innewohnt. Felix Lampert ist ein agil-neurotischer Siegfried, seine cholerischen An- und Ausfälle geben ihm eine gefährliche Präsenz. Magdalena Helmigs Kriemhild repräsentiert eine starke weibliche Vernunft, die zu verzweifeln droht am Machismo ihrer Partner. Und Felix Hupfeld konnte als „Junge“ durchaus zeigen, warum er an der renommierten Otto-Falckenberg-Schauspielschule in München aufgenommen wurde.
Mit brennender Streitaxt
In einer knackigen Stunde zeigt die kernige Off-Bühne keine intellektuelle Neuinterpretation des Mythos’. Der wird nur angerissen und herbei zitiert. Höchstens als Schatten tauchen Motive wie Eifersucht oder materielle Gier auf, die im Mythos so tragend sind. In der Rottstr.5 stehen eher Männlichkeitsgebaren und Kriegerposen im Zentrum des Psycho-Kampfgeschehenes. Der Schwanzvergleich mit brennender Streitaxt und Schwert wird dabei von markiger Kriegsprosa unterlegt. Das knallt genauso wie die viel zu lauten Pistolenschüsse zum dramatischen Ende.
Böse, blutig und brutal geht es hier zu – auch sprachlich.