Joschka Fischer, Ex-Außenminister, war der zweite Gast des Atriumtalks der Stadtwerke Bochum. Er sieht schwierige Zeiten auf die Menschen nicht nur in Deutschland zukommen.

Er wirkt altersweise, verlangt aber neben Besonnenheit zugleich Dynamik und Generationenwechsel, er schließt eine Rückkehr in die aktive Politik aus, spielt aber „mit Leidenschaft“ die Rolle des politischen Beobachters und Analytikers: Joschka Fischer, fast 61 Jahre alt, vermittelte beim 2.Atriumtalk „Mensch bleiben“ der Stadtwerke sehr viele verschiedene Facetten eines Mannes, dessen Weg vom radikalen außerparlamentarischen Aktivisten bis zum Außenminister und Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland reichte.

Im Gespräch mit Professor Dr. Dietrich Grönemeyer erfuhren die geladenen Gäste im Atrium des Stadtwerkehauses am Ostring am Freitabend Fischers Sichten auf diverse Themen der Vergangenheit und Gegenwart – und durchaus skeptische Ausblicke in die Zukunft: „Die Zeit der Illusionen geht zu Ende. Jetzt heißt es 'Jacke aus und ran'!, meinte der prominente Gast nicht nur mit Blick auf die bevorstehende Bundestagswahl, nach der es beispielsweise auf jeden Fall Steuererhöhungen geben werde. Zugleich ordnete er Deutschland trotz der Wirtschaftskrise als ein Land ein, das im Vergleich zu anderen Staaten gut aufgestellt sei.

Natürlich kam zum Schluss auch die Opel-Diskussion auf. Für Joschka Fischer, der 1971 für ein halbes Jahr bei Opel Rüsselsheim „Kolben eingebaut“ hat, ist es vor allem eine „GM-Krise“: „GM ist über die Kante, das ist ganz klar.“ Er sei dafür, dass alles zur Rettung von Opel geprüft werde. Und wenn es eine tragfähige Lösung gebe, sei er auch für Hilfen. Er glaube aber nicht, dass der Staat auf Dauer das Unternehmen übernehmen und Autos bauen könne. Sich gegen den Markt zu stellen, würde am Ende nichts nützen. Fischer: „Es muss eine private Perspektive haben.“ Er wandte sich gegen eine mögliche Hinhaltetaktik der Politik bis zu den Wahlen. Klartext sei jetzt gefragt.

Fischers Klartext zu einigen weiteren Themen:

  • Globale Wirtschaftskrise: „Wenn nicht eingegriffen wird, wird die Krise größer als die von 1929.“ Was ist das „Megaprojekt“? „Da gibt’s nur eins: die dritte industrielle Revolution, damit neun Milliarden Menschen Mitte des Jahrhunderts mit Wohlstand leben können, ohne das System Erde zu gefährden.“
  • Afghanistan/Pakistan: Eine Rückzug würde laut Fischer bedeuten, dass das Land wieder ein Schlachtfeld nationaler Interessen würde. Außerdem würde sich dort der Terrorismus reorganisieren - „und der wird uns nicht in Ruhe lassen“. Die USA werde sich wieder mehr zu einer pazifischen Macht entwickeln. Unsere geopolitischen Nachbarn seien Russland, der Nahe und Mittlere Osten und Afrika. „Wir wären extrem blind, wenn wir nicht Verantwortung übernehmen würden, denn die Probleme und Konflikte kommen zu uns.“
  • Iran: Wenn Iran Nuklearmacht werde, drohe morgen ein nukleares Wettrüsten in einer instabilen Region. Das bedrohe Deutschland und Europa. An einer diplomatischen Lösung führe daher kein Weg vorbei. Die neuen Konferenz-Schritte der USA seien eine gute Sache.
Wolfgang Niedecken, Frontmann von BAP, trug einige Lieder vor. Foto: Karl Gatzmanga / WAZ
Wolfgang Niedecken, Frontmann von BAP, trug einige Lieder vor. Foto: Karl Gatzmanga / WAZ © WAZ | WAZ





Musikalisch umrahmt wurde das Gespräch zwischen Grönemeyer und Fischer von Wolfgang Niedecken, Frontmann der Gruppe BAP.