Bochum. Wagnerianer und Tingeltangel, kaum eine größere Differenz ist vorstellbar im Bereich der Musik. Auf der einen Seite der Mythos, das Gesamtkunstwerk, auf der anderen Schlüpfrigkeiten aus dem Nachtleben und die Melancholie der Großstädte.

Wagnerianer und Tingeltangel, kaum eine größere Differenz ist vorstellbar im Bereich der Musik. Auf der einen Seite der Mythos, das Gesamtkunstwerk, auf der anderen Schlüpfrigkeiten aus dem Nachtleben und die Melancholie der Großstädte.

Jan Demuths Stück bringt das zusammen und schlägt aus der Konfrontation Funken. Und liefert gleichzeitig eine Hommage an drei Komponisten, die auf unterschiedliche Weise zu Opfern des Nationalsozialismus geworden sind. Gemein ist Ralph Benatzky, Friedrich Hollaender und Oscar Straus, dass sie Deutschland als Nazi-Verfolgte verlassen mussten.

Überdimensionaler Schwan

Opfer sind auch Adele Würmeling und Herwarth Moksch im Stück. Sie müssen tingeln, mussten Berlin verlassen und treten nun in der Provinz auf. Doch damit nicht genug, ein Fehler ihrer Agentur sorgt nun dafür, dass sie in „Wippelsdorf“ für den „Musikverein Walhalla“ zu singen haben, und zwar eine konzertante Version des „Ring des Nibelungen“. Das Problem: Sie können das gar nicht, brauchen aber die Gage. Der Glücksfall: Das Publikum hat keine Ahnung, sonst hätte es nicht einen überdimensionalen Schwan als Dekoration auf die Bühne gebaut (tolle und effektreiche Bühne: Trixi Royeck). Rund um das Federvieh spielt fortan ein Liederabend, der die Nibelungen-Story von Wagner mit Couplets und Schlagern der Operetten-Komponisten nacherzählt.

Gepflegtes Salon-Orchester

Die Bochumer Symphoniker unter Harry Curtis werden zum gepflegten Salon-Orchester, Anna Schäfer brilliert als Tingeltangeldiva, meist lasziv, gerne zickig und direkt, ausgestattet mit einem beachtlichen Stimmvolumen. Wolfram Boelzle ist ein souveräner Beau, stimmlich nicht so versiert wie seine Partnerin, doch mit lässigem Conférencier-Charme und schön selbstironisch. Gelegentlich mit einigen wenigen Takten Wagner eingeleitet, bringen die Beiden Evergreen auf Evergreen, thematisch ganz lose anschließend an die Nibelungen-Geschichte. Und oft locker umgedichtet. „Ich bin die fesche Brünhilde“, singt Schäfer und Boelzle schmalzt „Ich weiß nicht zu wem ich gehöre“ und tätschelt dazu einem Herrn mit Lockenkopf im Publikum den Schopf.

Tragischer Ausgang

„Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben?“, fragt – im Geiste der Operetten-Diva Fritzi Massary – komponiert von Oscar Straus die Schäfer. Eine Fragestellung, die fast direkt die Zeugung von Jung-Siegfried zur Folge hat. Eben jener Oscar Straus hat für Massary einige Operetten komponiert, die letzte Uraufführung wurde 1932 schon von massiven SA-Sprechchören gestört. Und auch die Geschichte der beiden Künstler auf der Bühne des Prinz Regent endet tragisch.

Was geblieben ist, sind die sensationellen Lieder, deren Komponisten mit diesem Abend eine wunderschöne Hommage gewidmet ist.