Bochum.. Die Zukunft der Grundschulen in Bochum ist noch immer ungewiss. “Wir kommen nicht um Schulschließungen herum“, sagt Schuldezernent Michael Townsend. Im WAZ-Interview spricht er über Lehrermangel und die Vision von kleinen Grundschulklassen.
Die Eltern von Bochumer Grundschulkindern sind weiterhin stark beunruhigt. Zwar ist die ursprünglich von der Verwaltung vorgesehene Schließung von bis zu acht Grundschulen vom Tisch, Sicherheit für den Fortbestand aller Grundschulen gibt es trotzdem nicht. Mit Schuldezernent Michael Townsend sprach WAZ-Redakteur Michael Weeke über die Grenzen des kommunalen Einflusses und der Vision einer Grundschulklasse mit nur 15 Schülerinnen und Schülern.
Frage: Was nun Herr Townsend, durch die Beschlüsse der Bezirke und des Bildungsausschusses ist der aufwändig erarbeitete Schulentwicklungsplan sozusagen zerbröselt. Wie geht es nun weiter?
Michael Townsend: Wir müssen das Anmeldeverfahren abwarten. Zwar kennen wir die Zahl der schulpflichtigen Kinder, wissen aber natürlich nicht, wie sie sich die auf die Grundschulen verteilen werden.
Die Vorgaben vom Land sind es doch, eine Grundschule zweizügig zu führen. Pro 24 Schüler wird eine Lehrerstelle bewilligt. Wenn die Wirklichkeit sich nicht an den Vorgaben orientiert . . .
Townsend: Dann wird das Schulamt mit seinen Schulräten die vorhandenen Lehrer eben anders verteilen. Konkret bedeutet dies, dass die Schulen mit großen Klassen Lehrer auf Schulen mit kleineren Klassen verteilen werden. Ein Beispiel: Eine zweizügige Schule mit Klassen von im Schnitt 20 Kindern hat rechnerisch nur ca. 6,5 Lehrerstellen zur Verfügung. 1,5 Stellen fehlen also.
„Die Stadt hat keinerlei Möglichkeiten“
Da können Sie, da kann die Stadt nichts machen?
Townsend: Nein, die Stadt hat keinerlei Möglichkeiten, etwas zu tun. Sehen Sie. Da gibt es etwa überfüllte Klassen in Grundschulen in Hochhaussiedlungen. Ich nenne bewusst keine Schulnamen. Dort gibt es einen enormen Förderbedarf etwa wegen eines hohen Migrantenanteils. Auf der anderen Seite gibt es schicke Einfamilienhaussiedlungen, wo Schulen händeringend Schüler suchen.
Also doch Schulschließungen?
Townsend: Ja, wir kommen nicht darum herum, bestimmte Schulen zu schließen, um die Schulen, die übrig bleiben, zu stärken. Vorstellbar sind da etwa auch Übergangslösungen, zum Beispiel durch Zusammenlegungen oder durch Partnerschaften zweier Schulen.
Jetzt lassen wir einmal die Wirklichkeit links liegen . . .
Townsend: Nur zwei Zahlen: In den vergangenen zehn Jahren hat Bochum 2500 Grundschüler verloren, also rund ein Viertel seiner Grundschüler. Geschlossen haben wir nur zwei Grundschulen, rein rechnerisch hätten es zwölf sein müssen, vorgeschlagen hatten wir sieben bis acht . . .
Das Personal fehlt
Das waren mehr als zwei Zahlen. Träumen Sie doch mal den Traum der kleinen Klassen.
Townsend: Ja, es gibt ernst zu nehmende Untersuchungen, die sagen, dass es von einer Klassenstärke um die 15 Schüler herum signifikante Effekte gibt. Andere sprechen von positiven Wirkungen bereits bei größeren Schülerzahlen. Aber dieses Personal haben wir halt nicht.
Okay. Tun wir mal so, als ob Geld keine Rolle spielte?
Townsend: Ich sage Ihnen, selbst wenn wir morgen das nötige Geld hätten, auf dem Arbeitsmarkt gibt es derzeit gar nicht die Zahl von Lehrern, die wir und die anderen Städte benötigten.
Zurück zur Realität; was bringt die Zukunft?
Townsend: Jedenfalls keine Ruhe in die Schulgemeinden. Ich hätte mir einen harten Schnitt gewünscht und nicht jedes Jahr eine neue Debatte.