Bochum.

Anatol Herzfeld zählt zu den wichtigsten Künstlern in der Tradition Joseph Beuys’. In der Sammlung des Augusta-Krankenhauses sind exemplarische Arbeiten zu sehen. Den 80. Geburstag des Künstlers ehrt das Museum Bochum mit einer Sonderpräsentation.

Anatol ist kein Bochumer, aber fühlt sich als gebürtiger Ostpreuße dem Ruhrgebiet und seinen Menschen sehr verbunden, und er war oft in unserer Stadt. Als Besucher, als Künstler, als Mensch - immer als er selbst, aber immer auch als eine Art multipler Persönlichkeit. Denn den von seinem Lehrer Joseph Beuys postulierten Erweiterten Kunstbegriff lebt Anatol wie kaum ein anderer. „Jeder Mensch ist ein Künstler“ - das bedeutet für ihn, nicht zu trennen zwischen privat und öffentlich, zwischen Künstlertum und Gesellschaft. In Gestaltung und Haltung, im Erzählen, Debattieren und Lehren ist dieser Mensch immer - Anatol. Die Mensch und der Künstler fallen in eins. Persönlichkeiten sind beide. Dies wird jedem sogleich klar, der Anatol je begegnete. So Ulrich Froese, Geschäftsführer der Augusta-Krankenanstalten.

Ein Natur-Idyll

Dessen Liebe zur modernen Kunst brachte ihn vor Jahren mit Anatol in Kontakt. Froeses Vater war Vorsitzender des Bochumer Kunstvereins, der 1973 eine Ausstellung mit Anatol-Arbeiten präsentierte. Expositionen in Bochum gab es 1976 in der Galerie I. Baecker und 1987 und in den 90er Jahren im Museum. Inzwischen sind exemplarische Arbeiten in der Sammlung des Augusta-Krankenhauses vertreten, auf Initiative Froeses. „Ich habe Anatol auf der Museumsinsel Hombroich besucht, ihn kennen und schätzen gelernt“, so der Verwaltungsleiter. Die Insel Hombroich: das ist jenes von Kunst und Architektur bevölkerte Natur-Idyll nahe Neuss, wo Anatol lebt und arbeitet.

Lebenszeugnisse aus Stahl

Dort sind viele seiner Lebenszeugnisse zu sehen: voluminöse Plastiken, die gleichsam organisch aus der grünen Landschaft herausgewachsen zu sein scheinen. Stahl, Stein und Holz sind Materialien, denen Anatols Vorliebe gilt; der kräftige, zupackende Mensch hat sich immer auch an diesen „männlichen“ Materialien abgearbeitet, mit Herz und Hand gestaltet, was die Natur sozusagen im Rohzustand vorgab.

Wie so etwas aussieht – und wirkt -, kann man im sog. „Anatol-Raum“ im Augusta-Krankenhaus sehen. In diesem Besprechungszimmer, das Besuchern offen steht, hat Froese u.a. den voluminös-klotzigen „Thron“ aus rohem Holz ausgestellt. Wie kaum ein anderes Objekt spiegelt dieses auf irritierend moderne Art geradezu archaisch wirkende Stück Anatols künstlerischen Ansatz. Im Park des Krankenhauses wartet die Skulpturengruppe „Die Familie“ auf Besucher: mächtige, behauene Findlinge, deren Ausdruck vom Säugling bis zum Greis die vergehenden Gesichter und verwehenden Zeiten des Lebens spiegeln.

Erdverbunden und unmittelbar

Anatols Kunst ist erdverbunden und unmittelbar, mit starkem Anspruch auf Unabhängigkeit. Sie verweist auf sich selbst und ist doch immer auch für andere da. In dem weiten Raum, 80 Jahre, der Anatols Leben nun umfasst, stehen seine Eisenmänner, Holzobjekte und Steinmenschen als Seelen-Ausformungen um ihn herum; sie wagen es, gewaltig aufzutreten und sind doch so zerbrechlich wie ihr Schöpfer: der Mensch. Auf „seine“ Hombroicher Insel gesetzt, von Riesenknöterich umrankt, wird Anatol umarmt vom Geist der Insel, vom Wachsen und Vergehen, von seinem ureigenen Verständnis von Skulptur und Plastik. Hoffentlich noch recht lange!