Zwei Bochumer Studenten nehmen am Bergsteiger-Tour teil und schreiben ihre Bachelor- und Diplomarbeit über die psychischen und physischen Belastungen älterer Teilnehmer
Sabine Vogt
Wenn zum Freitag wie angekündigt die Temperaturen von 35 auf knapp über 20 Grad sinken, werden viele Menschen über Kreislaufprobleme stöhnen. Gut 45 Grad Unterschied ist das, was eine 13-köpfige Expedition Mitte Oktober aushalten muss. Die Bochumer, darunter drei Frauen, machen sich auf zum Dach der Welt.
Ihr Ziel ist der 6476 Meter hohe Mera Peak, ein Nachbargipfel des Mount Everest. „Wir werden in der Zeit des Nachmonsuns dort ankommen; im Tal wird es noch 20 Grad warm sein, in der Höhe gut 25 Grad Minustemperaturen”, sagt Rüdiger Edling (56), Leiter der Expedition. Für ihn wie einige der Teilnehmer ist es der zweite Versuch, sich diesen Traum zu erfüllen. 2006 startete Edling mit elf Leuten im April (Vormonsun); „wir wurden eingeschneit und mussten aufgeben.”
Das große Vorhaben rückte nicht in weite Ferne, nur drei Jahre in den Hintergrund. Die meisten der 13 Teilnehmer der diesjährigen Tour sind über 40 Jahre alt. Doch genauso wie sie fiebern zwei junge Leute der Expedition entgegen: Tatjana Edling (23) und ihr Freund Mathias Fröhlich (27) sind Neulinge – zumindest, was Nepal angeht. „Bergsteigen, das machen wir so oft es geht. Auch Eiserfahrung haben wir gesammelt”, sagt Tatjana, Tochter des Expeditionsleiters Rüdiger Edling.
In die Leidenschaft für diesen Extremsport wurde die Studentin hineingeboren. Es habe sie von klein auf gereizt, mit dem Vater auf Touren zu gehen. Sie und ihr Freund werden die Expedition wissenschaftlich begleiten. Beide studieren Sport und werden ihre Bachelor- und Diplomarbeit dieser Tour widmen. Mathias, der vor vier Jahren aus Thüringen nach Bochum kam und spätestens durch seine Freundin von hohen Gipfeln infiziert wurde, wird die älteren Teilnehmer auf ihre physische Belastung hin untersuchen und beobachten.
Seine Diplom-Arbeit beinhaltet die Reaktionen von Herzfrequenz und Laktaten auf so genannte mittlere Höhen: „Es gibt solche Erkenntnisse über Bergsteiger in 3000 Metern in den Alpen und etwa Everest-Besteigern, nicht aber über die Bedingungen in unserem Ziel Mera Peak.”
Tatjana wiederum wird die psychischen Parameter erfassen: Was belastet die älteren Menschen innerhalb der Gruppe, welche Ängste befallen sie, kommt der Lagerkoller? „Ich weiß aus Gesprächen mit denjenigen, die beim ersten Mal dabei waren, dass irgendwann jeden die Angst vor der Höhenkrankheit packt.”
Dahinter steckt eine Sauerstoffunterversorgung, die sich ab einer gewissen Höhe einstellen kann, die im Körper im schlimmsten Fall zu Wasseransammlungen in Hirn und Lunge führen kann. „Jeder horcht beim Höhergehen in sich hinein; man kann nicht gegen diese Angst antrainieren.”
Für ihre Bachelor-Arbeit hat die jüngste Teilnehmer Fragebogen entwickelt. Beide Teile der wissenschaftlichen Begleitung sollen sich befruchten mit der gemeinsamen Frage, wie psychische und physische Belastungen zusammenhängen. Die jungen Leute sind begeistert: „So eine große Probandengruppe findet nicht jeder vor. Das ist eine Lücke, die durch unsere Arbeiten und Erkenntnisse geschlossen werden soll und später vor allem älteren Extremsportlern zugute kommen wird.”
Rüdiger Edling besteigt seit 35 bis 40 Jahren Berge, seit 30 Jahren arbeitet er beim Bildungswerk des Stadtsportbundes in Bergsportprogrammen; „Bochum hat sich zu einem Schwerpunkt fürs Bergsteigen entwickelt.” Er ist Trekking-Lehrtrainer. „Wen's packt, für den ist es immer ein Traum, die höchsten Gipfel zu schaffen.” Überdies, so schwärmt er, sei Nepal ein grandioses Reiseziel. „Es hat Abenteuercharakter. Die Alpen sind erschlossen, dort zu klettern, ist komfortabler, als sich mit Zelt und Rucksack weitab von der Zivilisation mit der Natur auseinanderzusetzen.”
Seine Tochter ergänzt: „Schon das reine Bergwandern bringt einen Abstand zum Alltag mit der Chance, mehr zu sich selbst zu finden. Inmitten der hohen Berge empfindet sich der Mensch als klein, und damit auch seine Sorgen.” Es schaffe Selbstbewusstsein, und nicht wenigen gelänge es, ein paar Stellschrauben zu drehen, um auch später zu Hause eine andere Mentalität zu leben, sagt Rüdiger Edling.