Nostalgie, oder besser: Ostalgie im Theater Unten. „Liebe ist ein hormonell bedingter Zustand“ ist ein Roman von Jakob Hein, den David Bösch in Essen eingerichtet hat. Nun ist die Pop-Perle im Schauspielhaus zu sehen.
Einige Töne der Becher-Hymne, ein Sessel „Made in GDR“, darauf ein Bild Erich Honeckers. Wir befinden uns in der Deutschen Demokratischen Republik. Allerdings in einem trashigen Bandproberaum mit allerhand Punk-Indizien, Graffiti und Chaos. Und einem Trio junger Männer, in Punk-Uniform. Gesang, Gitarre, Schlagzeug. Doch die Band ist keine Band, sondern ist eine Person. Sascha, Protagonist in Jakob Heins kleinem Popliteratur-Roman, der die typischen Wirren der Pubertät und frühen Adoleszenz vor dem Hintergrund der untergehenden DDR erzählt. Der Lokalkolorit tritt dankenswerterweise schnell in den Hintergrund und die Inszenierung illustriert über gut 100 Minuten mit viel Verve die Verwerfungen, die die „Liebe“ oder das, was eben in diesem Alter dafür gehalten wird, mit den jungen Männern anrichtet. „Ich will kein Kind mehr sein, ich will endlich Haare am Sack“ wird da ausgerufen. Zur eher unbestimmt drängenden Sexualität kommt noch ein sich als politisch und gegenkulturell verstehendes Aufbegehren, „Fuck The System“.
Die welt ist gegen mich
Hier holt die Show viele Zuschauer ab. Jugendliche finden jede Menge Stoff sich zu identifizieren mit dem Protagonisten, dem Lukas Graser, Matthias Eberle und Raiko Küster in allen emotionalen Aggregatszuständen vorführen. Trotzig, wütend, aggressiv, dazu passend immer peinlich, sauertöpfisch, weinerlich. Die Welt ist gegen mich und ich bin es auch.
Wer darüber quasi altersweise hinweg ist, findet vielleicht immer noch Gefallen an den unzähligen Zitaten und Referenzen aus der Zeit rund um den Mauerfall. Modern Talking ist der Feind des Punk, die Popper-Disco die Vorhölle, die Souffleuse bläst den „Wind of Change“ und bringt die Mauer als Torte auf die Bühne, die dort schnell zum Einsturz gebracht wird und aus Vita-Cola wird Coca Cola.
Natürlich mit Zugabe
Und nach unzähligen vermeintlichen „Verliebtheiten“ findet Sascha endlich die richtige und wird - wie man so schön mit der gewissen Betonung sagt - erwachsen. Zum Glück ist dieser Sascha dann nicht mehr das Thema des Abends. Der endet, wie es sich gehört für ein Konzert, mit einer Zugabe. Dabei zelebrieren die drei noch einmal gekonnt, was den Unterhaltungswert der Figur ausmacht und damit den Charme dieses aus Essen übernommenen Stückes: die Unzulänglichkeit, die nicht davon abhält, alles falsch zu machen, und das mit dem vollen Recht der Jugend. Viel Applaus für einen Abend, der locker das Zeug dazu hat, beim jungen und jung geblieben Publikum zum Dauerbrenner zu werden.