Bochum.
„Allergie und Asthma – eine Herausforderung für die Zukunft unserer Kinder“ war am Donnerstagabend das Thema beim WAZ-Forum Kindergesundheit im St. Josef-Hospital.
Früher hatten Kinder Würmer, heute sind es Allergien. Bei immer mehr Menschen spielt das Immunsystem verrückt, bei Erdnüssen, Hausstaubmilben oder Blütenpollen. „Allergie und Asthma – eine Herausforderung für die Zukunft unserer Kinder“, war deshalb Donnerstagabend auch das Thema des WAZ-Forums im St. Josef-Hospital. Drei Experten stellten unter der Moderation von Chefredakteur Werner Conrad neue Mittel und Wege zur Behandlung vor und beantworteten die Fragen der Gäste.
„Allergien und Lungenkrankheiten sind Belastungen für die ganze Familie“, wusste Prof. Eckhard Hamelmann, der Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Ruhr-Uni und Vater von sieben Kindern. Eins von vier Kindern ist heute allergisch, die Tendenz steigt. Oft treten schon im ersten Lebensjahr Reaktionen der Haut auf. Hamelmann skizzierte den Verlauf eines typischen Allergiker-Lebens: „Später im Kindergartenalter betrifft die Allergie meist die Atemwege“. Nicht selten verschwinden die Symptome von alleine, manchmal bleiben sie. Hamelmann warnte davor Impfungen oder Behandlungen für eine Veränderung verantwortlich zu machen, „oft ist das der natürliche Verlauf“. Um Kompetenzen rund um das Thema Allergien zu bündeln wurde nun das „Allergie Centrum Ruhr“ (ACR) gegründet (siehe Text unten), dessen Sprecher Hamelmann ist.
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Die diagnostische „Waffenkammer“ des ACR stellte Prof. Manfred Ballmann, der Leiter der Abteilung Pädiatrische Pneumologie Klinik für Kinder und Jugendmedizin der Ruhr-Uni vor: Von Einer Durchleuchtung der Lunge bis zum Inhalieren reizender Substanzen. „Husten ist ein Symptom, keine Krankheit“, stellte er klar, es kann viele Ursachen haben. Zum Arzt solle man gehen, wenn er besonders Auffällig ist oder länger als eine Woche anhält, riet er. Direkt meldete sich ein besorgter Vater, aber Ballmann beruhigte: „Es gibt den typischen Kindergarten-Husten“. In den ersten Monaten stecke sich das Kind dort mit den verschiedensten Krankheiten an, das sei Training für das Immunsystem. „Manchmal kommen einem die verschiedenen Infektionen, wie eine lange Krankheit vor“, erklärte Ballmann.
Das Husten ein vielseitiges Problem sei, zeige schon die Google-Trefferliste: 700 000 Einträge zählte Ballmann. Ebenso bunt sind auch die Behandlungsmöglichkeiten. „Mit Homöopathie und Hausmittel ist das zum Beispiel so eine Sache“, räumte Ballmann ein, „wenn sie gute Erfahrungen damit haben, nutzen sie sie“. Bei frei verschreibbaren Medikamenten riet er aber zur Vorsicht: „Nehmen sie niemals Hustenlöser zusammen mit Hustenstiller“. Die Nebenwirkungen sind statistisch schlimmer als die positive Wirkung.
Über Lebensmittelallergien referierte anschließend Dr. Cordula Koerner-Rettberg, als Funktionsoberärztin, Pneumologin und Allergologin der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Ruhr-Uni. „Gerade bei diesen Allergien komme es oft zu anaphylaktischen Schocks“, berichtete sie. Die können oft auch lebensgefährlich sein. In der Kindheit treten gehäuft Allergien gegen Hühnereier und Milch auf, die aber im Alter zurückgehen. Anders sei das bei der Erdnussallergie, meinte sie, die bleiben oft. „Man muss Lebensmittelallergien von Kreuzreaktionen bei Pollenallergien abgrenzen“, fügte sie hinzu. Typisch dafür sei das Kribbeln im Mund bei Äpfeln und Nüssen, allerdings kann man auch gegen Nüsse Lebensmittelallergien entwickeln. Außerdem unterscheidet man zwischen Sensibilisierungen und Allergien, „ein schwieriges Thema“, räumte sie ein.
Besonders gefährlich sind natürlich die Anaphylaxien. Deshalb sind Schulungen für den Notfall wichtig, wie sie im ACR angeboten werden. „Oft gibt es schon vor dem Schock erste Anzeichen“, erklärte Koerner-Rettberg, „juckende Fuß- und Handflächen, erstes Hüsteln und Unwohlsein“. Dann heißt es Handeln. Im Idealfall wissen die Betroffenen von der Allergie und haben einen „Stick“ mit Adrenalin dabei, das wirkt schneller als Antihistaminika. Bereits nach fünf Minuten stabilisiert es den Kreislauf. „Adrenalin ist die wichtigste Erstbehandlung im Notfall“, stellte Koerner-Rettberg klar, oft gingen Eltern zu zögerlich damit um. Deshalb sei Aufklärung wichtig. Betroffene Kinder sollten ihren „Adrenalin-Stick“ beispielsweise auch im Schultornister dabei haben. „Viele haben Angst vor Missbrauch“, so die Ärztin, „allerdings sind die Folgen bei falscher Anwendung meist nicht so schlimm“.
Eine wirkliche Behandlungsmöglichkeit bei Nahrungsmittelallergien gibt es leider noch nicht. Daran wird zur Zeit noch geforscht. So lange heißt es „Vorsicht bei Erdnüssen und Co“.