Bochum.

Seine Leidens- und Lebensgeschichte erzählt Rolf Abrahamsohn eindringlich.

Und beinahe ganz am Ende erzählt Rolf Abrahamsohn den Witz mit den Gesetzestafeln. Dass Moses so erfreut war, dass er noch mehr von Gott haben wollte. „Zum Glück ist es dann bei den zehn Geboten geblieben“, sagt schmunzelnd Rolf Abrahahmsohn. Der kleine Mann vorn am Tisch schmunzelt hinein in die Augenpaare von 160 Schülerinnen und Schülern, die gekommen sind an diesem Morgen.

Sie sind gekommen, um zu erfahren vom Leben eines Juden aus Marl, der das Ghetto in Riga, das KZ Kaiserwald, das KZ Stutthoff, das KZ Buchenwald, das Außenkommando des KZ Buchenwald beim Bochumer Verein und das KZ Theresienstadt überlebt hat. Heute ist Rolf Abrahamsohn 85 Jahre alt. Seine Kraft reicht immer noch für zwei, drei solcher Veranstaltungen, wie dieser am Dienstag im großen Veranstaltungssaal des Zentrums für Stadtgeschichte.

Leiterin Dr. Ingrid Wölk, die Abrahamsohn vielfach interviewte, ist sichtlich froh, ihn an diesem Morgen begrüßen zu können. Denn eigentlich hat er keine Zeit. Seine Frau muss ins Krankenhaus, da möchte er dabei sein. „Rolf Abrahamsohn gehört zu den wenigen deutschen Juden, die noch selbst über die Gewalterfahrungen in der Nazi-Zeit berichten können“, sagt sie.

Das spüren die Jugendlichen, denn sie werden rasch still und hören dem Mann zu, der nicht versucht, seine Bewegung zu verbergen. Seine Uhr wandert zwischen seinen Händen hin und her, als er berichtet, von der Ermordung seiner Mutter in Riga, als sie nicht mehr arbeiten konnte. Da wollte auch Rolf Abrahamsohn sterben. Doch Freunde und die Hoffnung, seinen Vater und seinen Bruder Hans, die nach der Pogromnacht nach Belgien geflüchtet waren, wiederzusehen, machten ihm Mut. „Erst viel später habe ich erfahren, dass mein Vater und mein Bruder 1942 in Auschwitz vergast worden waren“, sagt Abrahahmsohn. Wie oft er seine Erinnerung öffentlich geteilt haben mag, das erste Mal übrigens 1978 bei der Sendung „Hallo Ü-Wagen“, leicht fällt es ihm bis heute nicht.

Die Mädchen und Jungen der Maria-Sibylla-Merian-Gesamtschule aus Wattenscheid, der Heinrich-Böll-Gesamtschule, des Louis-Baare-Berufskollegs und des Theodor-Körner-Gymnasiums spüren ganz genau, dass diese Stunde Erinnerung aus dem schrecklichen Leidensweg von Rolf Abrahamsohn mehrere Stunden Geschichtsunterricht mühelos ersetzt

Als Ingrid Wölk die Zuhörer später ermutigt, doch zu fragen, ist es lange still.

Dann schildert Rolf Abrahamsohn, wie es war in Bochum im Außenlager des KZ Buchenwald an der Brüllstraße neben der Geschossdreherei des Bochumer Vereins. Bis zu 1627 Menschen, überwiegend Juden, mussten dort Zwangsarbeit leisten. „Wir waren den Bombenangriffen schutzlos ausgeliefert“, berichtet Abrahamsohn. Er spricht auch von einer Bochumerin, die den Zwangsarbeitern Äpfel zugesteckt hat. Sie erwähnt er wie den Windmüller in Marl, der in dem Jungen Rolf, als er um Mehl für seine Lebensmittelmarken bat, den Sohn des einst angesehenen Marler Kaufhausbesitzers erkannte. An die Worte erinnert sich der 85-Jährige genau: „Du bist doch der Rolf. Zu mir kannst du immer kommen. Ich kann dir kein Mehl verkaufen aber ich geb’ dir wann immer du kommst, soviel Mehl wie du nur tragen kannst“