Bochum. .

Auch wenn das nächste Haushaltsloch im Jahr 2011 mit über 180 Millionen Euro so groß klaffen wird wie noch nie - „Swinging Bochum“ feiert weiter. Und gebaut wird im ganz großen Stil, als wäre Geld da in Fülle.

Das Westkreuz, der Ausbau der A 40, der Gesundheitscampus. Das neue Gymnasium. Sogar für die Sanierung des Rathauses ist noch ein Sümmchen von fünf Millionen Euro übrig, der Westflügel ist schon eingerüstet. Und für fast sechs Millionen Euro wird zur Zeit noch das Uni-Bad in Querenburg aufgehübscht.

All das wirkt nicht eben wie ein beinhartes Sparprogramm, schon gar nicht wie die blanke Not im Nothaushalt. Jedenfalls nicht für Otto Normalverbraucher. Der staunt eher, wie opulent Bochum zu feiern versteht: Allein der Sommer war reich an Unterhaltung vom Feinsten: Das Radsporterreignis Sparkassen-Giro, das viertägige Musikfest Bochum Total in der City mit Hunderttausenden Besuchern, das 17 Tage währende Zeltfestival am Stausee, der Bochumer Musiksommer mit Winzerfest auf dem Boulevard. Und gerade läuft noch das Figurentheater der Nationen, die „Fidena“.

Wo ist sie eigentlich, die von Bochumer Politikern und Rathausgrößen so dramatisch beschworene Not? Und wer leidet eigentlich tatsächlich an den bitteren Folgen des Sparkurses, zu dem die Stadt nach dem Absturz ihres Etats 2009 ausdrücklich von der Kommunalaufsicht verdonnert wurde?

Not nur ein Hirngespinst?

„Das persönliche Empfinden ist“, glaubt Heinz-Dieter Fleskes, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Rat und pensionierter Oberstudiendirektor, „man hört, es wird gespart. Doch die persönliche Betroffenheit, mir wird das Fell über die Ohren gezogen, ist eher selten.“

Die Not also nur ein Hirngespinst? „Wir sind nicht die Ärmsten der Armen und sind immer noch gut gestellt, verglichen mit anderen Städten“, sieht Fleskes die Stadt durchaus nicht am Hungertuch nagen.

„Die Not wird in diesem Jahr noch kaschiert“, ist die Einschätzung aus CDU-Kreisen. Fraktionschef Klaus Franz weist ebenso wie Fleskes daraufhin, warum in Bochum soviel gebaut werden kann: Alles weitgehend fremdfinanziert durch Bund und Land, unter anderem durch das Konjukturpaket 2. Und vertraglich zugesichert wie das Neue Gymnasium, das sich angeblich besonders rechnet, weil die Stadt gleichzeitig das Schulgrundstück am Ostring an die Justiz für deren neues Zentrum verkaufen konnte.

Woher das Geld kommt für die Bauwerke, „nimmt man draußen nicht in dieser Schärfe wahr“, weiß auch Fleskes. Insgesamt seien dies „dicke Brocken, die für 50 Millionen Euro bis 2011 umgesetzt werden“. Mit Eigenanteilen ist die Stadt allerdings immer dabei. Folge laut Fleskes: „Von unseren verfügbaren Mitteln wird dadurch viel verfrühstückt.“

Doch auf anderen „Baustellen“ ist Schluss mit lustig, weiß Günter Gleising von der Sozialen Liste. Die Stadt verkaufe gerade „alles an Grundstücken, was nicht niet- und nagelfest ist“, um die Kasse aufzubessern. „In guten Jahren“, erinnert sich Fleskes fast wehmütig, „hatten wir für 150 bis 200 Millionen Euro Investitionen in Bochum.“

Die Sparkasse als Finanzfeuerwehr

Und Gleising, der Linke, lobt etwas überraschend: „Bochum ist bei der CDU im Land nicht schlecht weggekommen.“ Siehe Jahrhunderthalle, Westpark und Triennale. Dass städtisches Geld fehlt in Bochum, sieht man woanders: Am Zustand der Oskar-Hoffmann-Straße, am provisorischen Parkplatz an der Viktoriastraße, wo längst schon das neue Konzerthaus für die Bochumer Symphoniker stehen sollte. Man sah es auch beim Protest gegen die geplante Stilllegung von Grundschulen.

Dass viele Vereine und Initiativen die Kürzung städtischer Zuschüsse offenbar schweigend hinnahmen, hat seinen Grund: Wie Fleskes und Gleising bestätigen, bemühen sich die Betroffenen lieber um Sponsoren statt zu klagen. „Die Sparkasse ist unsere Finanzfeuerwehr“, bringt es Fleskes auf den Punkt. Wie jüngst, als sie das Festival „Kemnade International“ des Kulturbahnhofs Langendreer als „3-Ufer-Fest“ noch möglich machte. Auch die Stadtwerke hätten nicht nur den Stadionwerbevertrag mit dem VfL Bochum verlängert, sondern würden auch ansonsten reichlich geben.

Während viele Vereine sich so noch behelfen können, gilt das anderswo nicht: Bei Hartz IV-Empfängern werde ständig versucht, die Kosten für die Unterkunft zu senken, erinnert Gleising. Und Uwe Vorberg von der Partei Die Linke wies nach, dass die Arge immer mehr Prozesse gegen ihre Klientel verliere. Klaus Franz von der CDU zählt auf, was weh tut, als Einschnitte „1 zu 1 bei den Bürgern ankommt“: Die Erhöhung der Musikschul-Beiträge, die reduzierte Öffnungszeiten von Bürgerbüros, Stadtbüchereien und Bädern: In Kürze soll der Rat beschließen, in Hallenbädern montags nur noch Schulschwimmen zu gestatten, ausgenommen im Unibad. Schon längst wurde die Temperatur des Wassers in den Hallenbädern um ein Grad gesenkt.

Vor 2015 kein genehmigungsfähiger Haushalt in Sicht

Spürbar werden auch Einsparungen in Kindertagesstätten, wo das Ziel, wenigstens für 32 Prozent der unter Dreijährigen Plätze zu schaffen, immer noch nicht erreicht sei. Auch dass Grundschulen geschlossen werden, ergrimmt vor allem die beiden linken Ratsparteien. Da werde die Krise leider nicht als Chance begriffen, nämlich mit kleineren Klassen für bessere Bildungsabschlüsse zu sorgen, bedauert Gleising.

Gleichwohl scheint man sich längerfristig auf derlei Übel einzurichten. Vor 2015 wird Bochum keinen genehmigungsfähigen Haushalt haben, ist Roland Mitschke, Sprecher der CDU-Ratsfraktion, überzeugt. Franz und Fleskes sehen es ähnlich.

Bis dahin sollen in der Stadtverwaltung 480 Stellen gestrichen werden, darunter ein Dezernentenposten 2013. Schon jetzt wurde die Anzahl der Azubi-Stellen von 56 auf 31 gesenkt. Die Gewerbesteuer wird 2011 erhöht, die Grundsteuer 2013. Ob dann Geld da ist auch für das Konzerthaus, steht dahin.