Bochum. .

Vor 500 Zuschauern in der voll besetzten Christ-König-Kunstkirche lasen Bastian Pastewka und Dietmar Bär „Die Verwandlung“. Der Comedian und der Schauspieler arbeiteten damit erstmals zusammen.

„Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt.“ Einer der berühmtesten Sätze der Literaturgeschichte leitet Franz Kafkas Erzählung „Die Verwandlung“ ein. Comedian Bastian Pastewka und Schauspieler Dietmar Bär waren in der Christ-König-Kirche angetreten, diese Erzählung gemeinsam zu präsentieren und ihren Humor herauszudestillieren. Zu diesem Zweck bedienten sie sich einer gekürzten Textfassung des Dramaturgen Joachim Henn. Pastewka las daraus die subjektiveren, Bär die aus der gleichen Erzählperspektive geschilderten, jedoch objektiveren Passagen.

Schallend gelacht

Es ist schon lange kein Geheimnis mehr, dass Kafkas Werk nicht ausschließlich düster, bedrohlich und von existenzieller Schwärze ist. Mancher Interpret hat Max Brods niedergeschriebener Bemerkung, Kafka habe beim Vorlesen seiner Manuskripte schallend gelacht, zum Anlass genommen, dessen Werk auf humoristischen Gehalt abzuklopfen. „Die Verwandlung“ bietet dazu reichlich Vorgaben, gleichwohl verlieren andere Lesarten nicht ihre Gültigkeit.

Pastewka und Bär nehmen durch ihre Vortragsweise die Absurdität der Figur Gregor Samsa und dessen, was ihr geschieht, in den Fokus. Die prosaische Unerschütterlichkeit mit der dieser der Horror-Situation entgegentritt untermalt Pastewka mit Spuren von eilfertigem Strebertum, gepaart mit leichter Hysterie und Neurotik in der Stimme. „Ich liege noch jetzt im Bett. Jetzt bin ich aber schon wieder ganz frisch.“ Denkste.

Dialogische Auflösung

Bär konterkariert diese mit oft trockener Lakonie. Eine interessante dialogische Auflösung des Textes, freilich auch eine sehr interpretierende, auf Effekt bedachte, vor allem dann, wenn sich (allerdings selten) die Sprecherstimmen einen Satz teilen. Aus Samsas seltsamer Strategie unangemessener Reaktionen auf surreale Ereignisse werden somit weniger „kafkaeske“ Situationen, sondern es entsteht eine absurd-witzige Logik der Eskalation und der Reaktionen darauf, die allerdings in einem tiefschwarzen Ende münden.

Die erste Zusammenarbeit der beiden Künstler - mit einem Text eines jüdischen Autors, gelesen in einer katholischen Kirche - kann aber in jeder Hinsicht als gelungen und angemessen betrachtet werden. Zu keinem Zeitpunkt ließen die beiden Mimen den Respekt vor dem Text vermissen, oder suchten sich selbst in Szene zu setzen. Auf ihren Stühlen thronend ließen sie vorrangig Kafka sprechen. Ein kurzer Handshake vorher, einer nach der Lesung, dann nahmen sie nach gut 80 Minuten stolz den aufbrausenden Applaus des Auditoriums entgegen.

Ob Franz Kafka bei dieser Veranstaltung schallend gelacht hätte? Spekulation.

„Bochumer“

Was haben die beiden mit Bochum zu tun? Der Grimme-Preisträger Bastian Pastewka ist in Bochum geboren, jedoch nicht hier aufgewachsen. Dietmar Bär stammt aus Dortmund, ging zur Westfälischen Schauspielschule und spielte am Schauspielhaus 1983 „Baal“ in der Regie von B.K. Tragelehn. Am 26. September soll er unter Regisseur Anselm Weber dort sein „Comeback“ geben.