Bochum. Irgendwann fiel Erika Fortmann-Wiesmann sprichwörtlich die Zimmerdecke auf den Kopf. Die Sozialpädagogin hatte vor elf Jahren mit ihrem Mann Heinz die Familienpension „Hotel Wiesmann“ an der Castroper Straße übernommen.

„Mir fehlten die persönlichen Kontakte; die Gäste sind tagsüber zumeist unterwegs.“ Einerseits hatte sie ehedem von der Sozialarbeit genug, andererseits fehlte sie ihr nun. Erika Fortmann-Wiesmann hatte in der Behinderten- und Altenhilfe und sieben Jahre lang in der Angehörigenberatung gearbeitet, bevor sie ins Hotelfach wechselte.

Eher zufällig kam sie immer häufiger mit Leuten ins Gespräch, die als Angehörige Krankenhaus-Patienten auch von weit her nach Bochum begleiten. „Insbesondere das Josef-Hospital hat einen großen Einzugsbereich.“ Und es liegt nicht weit vom Hotel Wiesmann entfernt. Viele dieser Menschen, die um Angehörige bangen, befinden sich in einer Ausnahme-Situation. Ihnen eine persönliche Ansprache und Betreuung zu bieten, ist Erika Fortmann-Wiesmann seit gut einem Jahr nun auch offiziell Anliegen. „Ermuntert dazu wurde ich in einem befreundeten Unternehmerkreis.“ So ließ sie Flyer drucken und ihren so genannten Angehörigen-Service in ihre Homepage einfließen.

Seit sich dies herumgesprochen hat, kann die Bochumerin die Vorzüge aus altem und neuem Job verbinden. „Es geht mir nicht darum, Geschäfte zu machen; allein durch die Starlight-Besucher sind wir gut ausgelastet. Vielmehr wollte ich endlich wieder sozial arbeiten, weil es mir Spaß macht, meinen beruflichen Hintergrund zu integrieren.“ Der Wunsch war so groß, dass sie sich zwischenzeitlich sogar ehrenamtlich im Behindertenwohnheim engagiert hatte, doch das Hotel ließ dafür wenig Zeit.

Die meisten Angehörigen, die die Patienten nach Bochum begleiten, sind auf sich gestellt mit ihren Sorgen. So versucht Erika Fortmann-Wiesmann, die auch schon in der Krankenpflege und als Familientherapeutin Erfahrungen sammeln konnte, diese Menschen aufzufangen. „Ich kann gut zuhören, Probleme mit ihnen teilen.“ Man merke rasch, wer reden wolle und wer nicht: „Die meisten springen sofort auf das Angebot an. Besonders die älteren Gäste sind froh über jede Ansprache.“

Die 50-jährige Bochumerin richtet auf Wunsch Fahrdienste zum Krankenhaus ein und begleitet die Gäste auch dorthin, vermittelt den Austausch mit anderen Patienten-Angehörigen, nimmt sie mit zum Walking und verleiht Fahrräder. Wer kein eigenes Handy hat, aber stets Kontakt zum Krankenhaus halten will, kann sich an der Rezeption eins ausleihen.

Zumeist bleiben Angehörige – im Gegensatz zu Wochenend-Starlight-Besuchern und Kulturhauptstadt-Gästen – mitunter mehrere Wochen in der kleinen Pension, deren Voll-Auslastung maximal 30 Betten umfasst. Ihnen reduziert Erika Fortmann-Wiesmann dann den Zimmerpreis. Überdies seien ihr solche Gäste lieber: „Man lernt einander kennen, das Interesse wächst, natürlich auch am Schicksal der Erkrankten.“ So kommt es vor, dass die Bochumerin ihre ehemaligen Gäste nach deren Rückkehr zu Hause anruft, um sich nach dem Befinden zu erkundigen.

In ihrer Pension versucht sie, die Anonymität großer Hotels zu vermeiden. Wer länger bleibt, kann die hauseigene Waschmaschine und den Kühlschrank nutzen, sich somit im kleinen Rahmen selbst versorgen. Fernseher und kostenloser W-Lanzugang stehen ebenso zur Verfügung wie die Kaffeemaschine. Einzelzimmer erhalten die Gäste übrigens zumeist mit Doppelzimmeroption – falls ein anderer Angehöriger oder auch der Erkrankte selbst dort übernachten will.