Bochum. .

Edgar (49) hat schon sein Leben lang mit einer Behinderung zu kämpfen. Seine Arme sind dank Contergan verkrüppelt. Jetzt wirbt er mit einem Schild in der Fußgängerzone um Unterstützung: „Ich bitte um eine Spende – Danke!“

Mit viel Geschick fischt Edgar das Feuerzeug aus der Tasche. Er dreht es zwischen seinen verkrüppelten Fingern, knipst zweimal. Dann brennt die Zigarette in seinen Mundwinkeln. „Ein Sturmfeuerzeug“, sagt der 49-Jährige.

Er braucht’s. Steht er doch bei Wind und Wetter in der Fußgängerzone. Was er will, weiß jeder sofort: „Ich bitte um eine Spende“, steht auf dem Schild, das Edgar um den Hals trägt. Und: „Danke!“

Das Schicksal des gebürtigen Kasslers ist auf den ersten Blick zu erkennen. Seine Hände und Arme sind verkümmert. „Contergan“, sagt er. Die Mutter nahm vor 50 Jahren in der Schwangerschaft das Schlafmittel. Der Säugling kam behindert zurWelt. Die Behinderung bringt ihm jetzt eine monatliche Rente von 1000 Euro ein. Dafür muss das Pharma-Unternehmen Grünenthal aufkommen.

Edgar zuckt mit den Schultern. Das Geld helfe ihm kaum, über die lebenslange Behinderung hinweg. Er erinnert sich: „Ich wurde von Kindheit an gepiesackt.“ Man glaubt ihm gerne, wenn er sagt, dass er eigentlich von Anfang an kaum eine berufliche Perspektive hatte, keine Chance zum Aufstieg. Nach der Schulzeit auf dem Behinderteninternat habe er eine Lehre als Maschinenbauer gemacht. „Direkt danach war ich dann arbeitslos.“

Von den 1000 Euro finanziere er sich eine kleine Wohnung. Das Geld reiche für Miete, Nebenkosten und ein paar Lebensmittel. Mehr sei nicht drin, seit er keine Unterstützung von der Arge mehr bekomme. „Die wollten mich arbeiten schicken“, sagt er. Die Job-Agentur habe ihm einen Posten als Nachwächter in Frankfurt angeboten. „Wie soll ich denn dort hinkommen?“

Das Schild helfe ihm beim Betteln weiter. Edgar zögert: „Es bringt etwas mehr.“ Es sei aber nicht viel, was so im Laufe eines Tages zusammenkomme. „7,40 Euro waren es gestern.“ Mehr sei nicht drin.

Seit zwei Jahren stehe er jetzt hier auf der Straße. Edgar wandert auf und ab. Mal steht er vor der Drehscheibe, mal vor dem Schuhgeschäft an der Kortumstraße. Eine Frau greift Edgar von hinten über die Schulter und steckt etwas in die Büchse. Nicht alle Menschen seien so freundlich, sagt er. „Ich bin schon oft beschimpft worden.“

Wenn der Arbeitstag auf der Straße vorbei ist, dann gehe er nach Hause. Er versorge sich selbst. „Alles“, sagt er. Viel Freizeitprogramm habe er nicht. „Radio hören, was essen und danach Geschirr spülen. Ab und zu mache er etwas mit Freunden. „Ich bin nur froh, dass ich ein Dach über dem Kopf habe.“

Die Hoffnung auf einen Job sei noch nicht dahin. Er kommt auf den Nachtwächterberuf zurück. Das sei aber für ihn hier in der Region wohl aussichtslos. „Die nehmen heute alle Rentner. Die sind billiger.“

Auch mit Grünenthal hat Edgar noch nicht seinen Frieden gemacht. „Die könnten mehr zahlen, dann bräuchten wir nicht hier ‘rumzulaufen.“