Bochum. .

Pünktlich um 12 Uhr am Samstagmittag stiegen 310 gelbe Ballons in den Ruhrgebietshimmel - so genannte „SchachtZeichen“. Sie markieren ehemalige Zechenschächte. Dieses Großprojekt nennen die Veranstalter die „flächenmäßig größte Kunstinstallation der Welt“. Am Montagmittag mussten die Ballons aber eingeholt werden - wegen zu starken Windes. Am Abend gab RUHR 2010 aber grünes Licht für die gelben „Nachtschachtzeichen“: Sie stiegen ab 22 Uhr dann aber aus Sicherheitsgründen nur 30 statt - wie eigentlich beabsichtigt - 80 Meter hoch (bis 1 Uhr).

„Ah, ist das schön!“ ruft eine Frau auf dem Tippelsberg, als am Samstag um Punkt 12 Uhr die ersten „SchachtZeichen“ in den Himmel emporsteigen. Sie steht dort zusammen mit vielen hundert weiteren Menschen, die alle pünktlich auf den 150 Meter hohen Hügel im Bochum Norden gekommen sind, um eine prima Aussicht auf das SchachtZeichen-Panorama des ganzen Ruhrgebiets zu haben. 40 Ballons sind es allein in Bochum, 310 im Ruhrgebiet.

„Da haben wir Pech mit dem Wetter gehabt“

Die Freude ist am Mittag allerdings etwas getrübt. Die Luft ist - trotz Sonnenscheins - in der Ferne zu diesig, zu blass, um weiter als nur ein paar Kilometer blicken zu können. „Da haben wir Pech mit dem Wetter gehabt“, sagt ein Mann zu seiner Frau und meint die Sicht. Außerdem wirkt der Abstand zwischen den einzelnen Ballons sehr groß. Etwas ganz Besonderes ist der Ausblick auf diese originellen Luftdenkmäler, die wie riesige Stecknadeln die Standorte von ehemaligen Zechenschächten markieren, trotzdem. Als die Ballons um 12 Uhr aus den einzelnen Stadtteilen zeitlupenartig bis in 80 Meter Höhe emporschweben, in allen vier Himmelsrichtungen, hat die Szenerie dort oben auf dem Hügel etwas Feierliches, etwas Theaterhaftes. Erst nach einigen Minuten fangen die Menschen verstärkt an zu kommentieren; erst müssen sie nur schauen.

Die gelben Ballons haben einen Durchmesser von 3,70 Meter. Das ist aber viel zu klein, meinen einige. „Das habe ich mir spektakulärer vorgestellt“, kommentiert eine Frau am Mittag etwas enttäuscht. Sie bleibt nicht lange auf dem Tippelsberg. Ihr entgegen kommen aber hundert weitere Besucher. Die meisten haben Kamera und Fernglas dabei, nicht wenige sogar ein Stativ mit umfangreicher Fotoausrüstung. Das Interesse ist groß. „Ich habe schon 13 Ballons gezählt“, teilt eine ältere Besucherin ein paar Minuten nach dem Start ihrer Begleitung mit. Allein in der ersten Stunde nach dem Hochlassen der Ballons sind es einige tausend Menschen, die auf die ehemalige Deponie pilgern, darunter viele Familien mit Kindern und Hund. Einige verbinden das SchachtZeichen-Gucken mit einem Picknick. Wer nichts selbst mitgebracht hat, kann sich bei der CDU Riemke bedienen. Sie hat auf dem „Gipfel“ einen kleinen Grill- und Getränkestand aufgebaut - fürs „Tippelsberger Schachtblicken“, wie sie auf Handzetteln schreibt.

Großer Andrang

Großen Andrang gab es auch im Knappschafts-Hochhaus an der Königsallee. Dort wurden die Besucher nur gruppenweise in die 17. Etage gelassen; so voll war es zeitweise.

Die meisten Ballons, die aus PVC bestehen und einen gelben, 18 Meter langen Fahnenbanner wie eine Schärpe unter sich herflattern lassen, wurden bereits vor 12 Uhr in die Luft gelassen. Aber nur bis 30 Meter. Höher war wegen flugrechtlicher Bestimmungen nicht erlaubt, sagt ein Manager dieses ehrgeizigen Ruhr2010-Projektes, der Bochumer Dr. Dietmar Bleidick. Erst ab 12 Uhr mittags besteht die Genehmigung, die gelben Flug-und Kulturobjekte bis auf 80 Meter steigen zu lassen. Abends, zwischen 19 und 20 Uhr, werden sie aus Sicherheitsgründen wieder runtergeholt. An jedem Tag bis 30. Mai. Ausnahme: Am 24. und am 29. Mai sollen die „NachtSchachtZeichen“ aufsteigen. Von 22 bis 1 Uhr werden die Ballons dann von innen heraus erleuchtet, mit 500-Watt-Hallogenlampen. „Ballon-Glühen“ heißt das. Dann wird das Panorama wohl spektakulärer wirken als tagsüber.

Ehrenamtliche Helfer stehen an der Ballon-Kurbel

In Bochum schaukeln jetzt 40 solcher Ballons im Wind. An einigen ehemaligen Schächten gibt es auch ein Programm, wie etwa an der Don-Bosco-Schule in Ehrenfeld, wo früher der „Schacht Friederica“ in die Tiefe ragte. Dort standen am Samstag so engagierte Helfer wie Harald Kaerger (63), Geschäftsführer einer Firma. Er hat aus der Zeitung erfahren, dass Ruhr2010 Helfer sucht - und sich beworben. Jetzt ist der Bochumer einer von ruhrgebietsweit 2100 Volunteers, die ehrenamtlich die SchachtZeichen in den Himmel lassen und aufpassen. Sie alle tragen hellblaue „SchachtZeichen“-T-Shirts. Vor zwei Wochen wurde Kaerger extra in Essen geschult, vier Stunden lang. Drei Flaschen Helium hat er vormittags mit anderen Freiwilligen in den Ballon gepumpt. Die Flaschen liegen auf einem speziellen Autoanhänger, auf dem auch die Winde für das Seil befestigt ist, das den Ballon festhält. Eine vierte Flasche liegt als Reserve dabei. Falls der Ballon schlappmacht. Rund 400 Kilo wiegt der Anhänger mit Ladung - ein gutes Kontergewicht. Sollte ein Seil reißen und der Ballon den Abflug machen, würde sofort der Flughafen Düsseldorf informiert.

Ballon soll eine Woche Mittelpunkt des Stadtteils sein

Die ganze Woche über - wie an vielen anderen Standorten - gibt es unter dem Ehrenfelder SchachtZeichen ein Programm: ein Familien- und ein Kinderfest, ein SPD-Bergmanns-Schoppen, ein Karate-Turnier und eine Übernachtungsaktion für Kinder. Projektmanager Dr. Bleidick: „Ziel ist es, dass der Ballon eine Woche zum Mittelpunkt des Stadtteils wird, wie es früher die Zeche war. Es geht darum, gemeinschaftlich etwas zu unternehmen, Leute kennenzulernen, ins Gespräch zu kommen, Kindern etwas über die Geschichte des Stadtteils zu erzählen.“

Gegen 16 Uhr hatte Dr. Bleidick schon sieben Ballon-Stationen in Bochum besucht. Sein Fazit: „Wo man hinguckt - nur zufriedene Gesichter.“

Jeder Ballon mit Zubehör kostet übrigens 5000 Euro. Das wurde von Unternehmen, den Städten, von Privatleuten, Vereinen und Verbänden gesponsert.

Vandalismus - Ballon flog weg

Vandalismus gab es in der Nacht auf Montag am Opel-Werk in Langendreer. Dort drang ein Unbekannter auf ein verriegeltes Firmengelände ein, auf dem ein mit Helium gefüllter Ballon untergebracht war. Er schnitt das Seil durch - und der Ballon flog weg, wie Ruhr-2010-Sprecher Marc-Oliver Hänig der WAZ sagte. „Das ist brutal. Dass da ein paar sind, die die Freude verderben, kommt immer vor, ist aber trotzdem gemein.“ So ein Ballon, sagte er, steige unkontrolliert auf 4000 Meter Höhe - und zerplatze. Hunderte Kilometer weiter. Die Tat wird wohl auch als „gefährlicher Eingriff in den Flugverkehr“ verfolgt. Der gestohlene Ballon wird ersetzt.