Bochum.


Die Entwicklungsgesellschaft Ruhr EGR will die markaten Pavillons (Blumen von Marlene) am Dr. Ruer-Platz abreißen. Architekt Karl F. Gehse, der die Glashäuschen vor 30 Jahren gebaut hat, kann das nicht fassen: „Schlimm, schlimnm, was die da vorhaben!“

Karl Friedrich Gehse (72) hat in seinem langen Architekten-Leben schon viel erlebt, aber was der Bochumer im Moment durchmacht, dafür findet der ansonsten so redegewandte Mann kaum Worte: „Schlimm, schlimm!, was die da vorhaben“, sagt Gehse und blickt mit Wehmut (und Wut) auf die schwarz-gefassten Glaspavillons von Blumen Marlene am Dr.-Ruer-Platz. Vor 30Jahren hat Gehse diese Pavillons gebaut, bald sollen sie abgerissen werden. Der Umzug des Blumenladens zum Hellweg ist für Mitte Mai vorgesehen, dann kommt alsbald der Bagger. Die städtische Entwicklungsgesellschaft Ruhr EGR, Eigentümerin der Bochumer Parkhäuser und der Pavillons über dem Parkhaus Dr.-Ruer-Platz, will es so.

„Kein Gefühl für den Ort“

„Kein Mensch bei der EGR hat offenbar ein Gefühl für diesen Ort“, klagt Gehse. Und für dessen Geschichte, könnte man hinzufügen. Denn der Bau der Pavillons ist mit dem Umbau des Dr.-Ruer-Platzes Anfang der 1980er Jahre eng verbunden. Damals, ältere Bochumer/innen haben das Bild noch gut vor Augen, war der Platz kein Platz im architektonischen Sinne, sondern innerstädtisches Niemandsland, eine Abstellfläche für Autos. Die Zufahrt zum Parkhaus führte damals mitten über den öden „Platz“. Schon 1978 keimten Pläne, den unwirtlichen Ort aufzuwerten. „Platzbildung mit Charakter statt gesichtsloser Garagenzufahrt“, lautete die städtebauliche Herausforderung.

„Wichtige Orientierungszeichen“

Gehse, der damals den Architektenwettbewerb für sich entschied, gestaltete die weite Fläche zwischen Pariser und Huestraße zu einer ovalen Anlage, die entfernt an die Piazza Navona in Rom erinnert. „Damals sollte auch ein künstlerisches Denkmal zu Ehren von Dr. Ruer entstehen, aber dazu kam es nicht“, erinnert sich Gehse. Mit der Umgestaltung entstanden u.a. die Ladenstraße im unteren Teil des Sparkassenhauses, das Cafe Zürich (heute Starbuck’s) und eben die Häuschen am südlichen Ende des neuen Platzes. „Diese Pavillons waren und sind wichtige Orientierungszeichen“, erläutert der Architekt, „sie waren mit das wichtigste Gestaltungselement meiner Planung“. Als der neue Dr.-Ruer-Platz Ende 1981 fertig war, hatte Bochum „über Nacht“ mitten in der Stadt einen zentralen öffentlichen Ort gewonnen, den es vorher nicht gegeben hatte. Der Platz wurde sogleich als Aufenthalts- und Veranstaltungsfläche angenommen. Von einem „Hauch vom Place de la Concorde“ schwärmte die WAZ damals.

„Diffamierung der Baukultur“

„Heute, keine 30 Jahr später, interessiert sich bei der Stadt keiner mehr für die gestalterische Idee“, klagt Gehse. Für ihn ist unverständlich, dass die in drei Jahrzehnten zu „traditionellen Orten“ in der Innenstadt gewordenen Pavillons nun fallen müssen. „Jedes Kind in Bochum kennt den Marlene-Pavillon“, sagt Gehse. Und beklagt eine „Diffamierung der Baukultur“ und das „Verschwinden einer Traditions-Insel“. „Ein Loch ist da, wo etwas nicht ist“, zitiert er verbittert den großen KurtTucholsky.

Das Argument der EGR, die Pavillons seinen sanierungsbedürftig, und die Renovierung zu kostspielig, lässt der Architekt nicht gelten. „Die Dächer sind nach 30 Jahren undicht, ja“, sagt Gehse, „aber das ist auch schon alles.“ Das Geld, das die Dach-Reparatur kosten würde, spare die EGR aber keinesfalls. Auf rund 50.000 Euro schätzt Gehse allein die Abrisskosten.