Bochum. .

Ein Tauchgang in die Tiefen des Menschen, in die Psyche. Dorthin ging es beim Medizindialog der Bochumer WAZ und der LWL-Universitätsklinik. „Genie und Wahnsinn“ hieß das Thema im Hörsaalzentrum des St. Josef-Hospitals.

Für die rund 200 Besucher ein interessanter, ein informativer, ein außerdem sehr unterhaltsamer Abend, durch den Moderator und WAZ-Redaktionsleiter Werner Conrad da führte.

Dafür sorgten Referenten wie der Ärztliche Direktor der LWL-Universitätsklinik Prof. Dr. Georg Juckel. „Das Verhältnis von Psyche und Kunst“ war sein Thema und er räumte gleich mit einer weit verbreiteten Meinung auf: „Nein, nicht jeder Künstler ist verrückt.“ Aber vielleicht kämen außergewöhnliche Leistung doch nur durch außergewöhnliche, ja sogar extreme Persönlichkeiten zustande. Im Laufe des Abends fielen Namen wie die der Maler Vincent van Gogh und Edward Hopper, des Aktionskünstlers Joseph Beuys, es ging um Hermann Hesse, Friedrich Hölderlin, um Nirvana-Sänger Kurt Cobain oder auch um Paul Celan, den Lyriker, der mehrfach in psychiatrischen Kliniken war. Die Wissenschaft ist auf der Suche nach Sinneszusammenhängen zwischen den Biografien berühmter Künstler und möglichen psychischen Erkrankungen. Nelly Sachs, die Literaturnobelpreisträgerin, ist auch so ein Fall. „Sie hatte schon früh eine tiefe, hoffnungslose Liebe erlebt und war daraufhin immer wieder in Behandlung“, sagte Priv.-Doz. Dr. Rainer Wolf, Oberarzt der Gerontopsychiatrie an der LWL-Uniklinik, einer der Referenten.

Auch Grafen ärgern sich mit Gefühlsschwankungen herum

Eine psychische Erkrankung sei wirklich keine notwendige Bedingung für Kunst, aber die Nähe zur Psyche liege in Malerei und Bildhauerei doch auf der Hand, so Georg Juckel. Die Kunst trifft die Psyche - auch als Therapieform. In jüngerer Zeit nehme die Bedeutung der Gestaltungs- und Kunsttherapeuten in den Kliniken stark zu. Weil Kunst eine große Kraft habe, sie stärke den Selbstwert („Weil dem Künstler ein Projekt glückt“), helfe bei Traumata, Krisen und der Stressbewältigung.

Aus der LWL-Klinik „Hans Prinzhorn“ in Hemer kam Prof. Ulrich Trenkmann ins Hörsaalzentrum. Er ist Ärztlicher Leiter in Hemer und auch in Bochum kein Unbekannter, denn in der hiesigen LWL-Klinik hat er ebenfalls gearbeitet. Er sprach über berühmte manisch-depressive Männer, „bipolar nennt man das heute“, und landete unter anderem bei Rudolf II, Graf von Habsburg, der sich zu Zeiten des Mittelalters mit Gewissenskonflikten und Gefühlsschwankungen herumgeärgert habe. „Rudolf klagte dann, von den Kapuzinerinnen verzaubert worden zu sein“, sagt Trenkmann. Heute würde diese Begründung wohl nicht mehr ziehen. . .

„Männer werden eher aggressiv“

Heutzutage suche ein depressiver Mann eher das Heil im Alkohol, „das ist die häufigste Selbstbehandlungsform beim Mann“, sagte Trenkmann, der diese Taktik nun keinesfalls empfahl. Der Experte geht davon aus, dass Männer fast genauso häufig depressiv sind wie Frauen, doch bei vielen bleibe das unentdeckt. „Sie sitzen nicht betrübt in der Ecke, sie sind eher aggressiv und werden nicht so schnell als depressiv wahrgenommen.“

Auch die 200 Besucher erlebten an diesem Abend verschiedene Stimmungen: Heiterkeit und nachdenkliche Momente. Zu denen gehörte der beeindruckende Vortrag von Rainer Wolf über Hölderlin, Celan & Co. Es war eine gelungene Mischung.