Bochum. .

Der Bochumer Künstler Kuno Gonschior ist am Dienstag überraschend im Alter von 74 Jahren gestorben. Sein Name steht für Op Art, Konkrete Kunst und schiere Zauberei.

Seine letzten Bilder, von denen zwei derzeit im Kunstmuseum in der Ausstellung mit 50 Meisterwerken zu sehen sind, wirken lichter, heller, sind an der Leichtigkeit der Impressionisten geschult. „Ich habe schon neue Ideen im Kopf, wie ich das weiterentwickeln werde“, erzählte Kuno Gonschior unlängst während der Vernissage. Welchen künstlerischen Weg er da im Sinn gehabt hat, wird immer ein Geheimnis bleiben.

Kuno Gonschior, 1935 in Wanne-Eickel geboren, gehörte zu den wenigen Bochumer Künstlern von nationaler, ja internationaler Bedeutung: Einzelausstellungen führten ihn in den letzten Jahren nach New York, nach Sydney und Toronto. „Das ist wie eine Explosion“, freute sich der Künstler seinerzeit überschwänglich.

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Diese Wertschätzung über Kontinente hinweg erfuhr Gonschior erst im fortgeschrittenen Alter, eine Tatsache, die er teils bedauerte („Warum ist das alles nicht vor 30 Jahren passiert?“), die ihn anderseits mit Genugtuung erfüllte. So erhielt er 1998 seinen ersten Kunstpreis, den der deutsche Kritikerverband vergeben hatte: Ausgezeichnet wurden seine damals schon 40 Jahre währenden Untersuchungen, „wie sich Farben interaktiv zueinander auf einer Fläche verhalten“. Mit einer unglaublichen Konsequenz nutzte Kuno Gonschior seit Ende der 50er Jahre die Form der „Fleckenbilder“ zu immer neuen ästhetischen Experimenten. Kuno Gonschior, der schon als Kind mit dem Malen angefangen hat, arbeitete zunächst als Kunsterzieher. Täglich malte er jedoch wenigsten zwei bis drei Stunden in seinem Atelier.

Bedeutsame Zeit in der Ruhrgebiets- und NRW-Kunst

Der nunmehr verstorbene Künstler steht für eine bedeutsame Zeit in der Ruhrgebiets- und NRW-Kunst in den 70er Jahren, als er mit Bochumer Künstlern wie Friedrich Gräsel oder Kieselbach, mit Spindel, Glasmeier oder Luther eine bedeutsame Szene bevölkerte. Nach dem spannenden Aufbruch haben sie alle mehr oder weniger aus eigener Kraft ihre Karrieren voran getrieben. Für Kuno Gonschior erwies sich als überaus glücklich, dass er ab 1982 eine Malerei-Professur in Berlin inne hatte. Die freie Malerei konnte sich somit von finanziellem Druck weitgehend unabhängig entfalten.

Er arbeitete zumeist in Serie und an mehreren Bildern gleichzeitig. Farbe - wie sie wirkt: Wann ergibt sich ein harmonisches Miteinander, wann Dissonanz? Wie ist es zu erreichen, dass die eigentlich stille Farbe Blau plötzlich aktiv ins Auge springt oder das eigentlich schrille Rot Zurückhaltung übt? Das sind die dezenten optischen Sensationen, die Kuno Gonschiors Bilder für geduldige Betrachter reizvoll machen. Jede Arbeit bekommt einen eigenen Charakter, Unverwechselbares entsteht. Und das erreichte der Künstler mit der eigentlich immer gleichen, mal dichter, mal locker gefügten Fleckenhäufung. Da Gonschior von Anfang an die theoretische Seite seines künstlerischen Tuns erkundete, nannte ihn eine überregionale Zeitung schon früh den „Farbforscher“. Beinahe wissenschaftlich erkundete Kuno Gonschior die Wirkung von verschiedenen Farbwerten.

„Man könnte glauben, es handele sich um Zauberei, wenn bei Kuno Gonschior aus grünen und orangenen Farbpunkten Gelb entsteht“, schrieb Walter Smerling im Katalog zur Ausstellung in der Duisburger Küppersmühle. Für diesen Künstler sei „das Malen vergleichbar dem Zustand der Schwerelosigkeit, die ihn in einen rauschhaften Zustand versetzt“.

„Gelbe Bilder kaufen Männer ab 50.“

In den 60er Jahren malte Gonschior Leuchtfarbenbilder. Damals rechnete die Kritik seinen Stil der Op Art zu, in den 70er Jahren der Konkreten Kunst. Doch fernab von allen Klassifizierungen verfolgte der privat äußerst umgängliche Künstler kein abgezirkeltes Konzept.

„Ich weiß zu Anfang nicht, welche Farbe das Bild später dominieren wird“, erzählte Kuno Gonschior einmal im WAZ-Gespräch: „Nach einem Tag Arbeit sagt mir das Bild, wie es weitergehen soll.“ Zu beinahe überwältigender Kraft entfaltet sich Gonschiors Mal- und Stilprinzip, wenn er die Maße des Tafelbildes verlässt und auf großflächige Farbwände ausdehnt. So geschehen 2002 im Kunstmuseum Bochum.

Neuere Arbeiten wirken wie ein ungegenständlicher Pointilismus - entfernt lassen sich mit den Fleckenteppichen Landschaftsstücke assoziieren. In der Tat hatte sich Kuno Gonschior von den Impressionisten inspirieren lassen. Mit einem Unterschied: Er ging nicht nach draußen in die Natur, um seine Motive zu finden. „Ich beziehe mich nie auf Natur, sondern immer nur auf andere Kunst“, erzählte er einmal. So hat er bei einem seiner Bilderzyklen ein imaginäres Gespräch mit Pierre Bonnard geführt. „Ich wusste immer mehr als er“, erinnerte sich Gonschior schmunzelnd. Kein Wunder, ist Bonnard doch 1947 gestorben und kann deshalb mit der Kunstentwicklung bis ins 21. Jahrhundert hinein nicht dienen.

Mit den Käufern seiner Bilder hat Kuno Gonschior eine spezielle Erfahrung gemacht: „Gelbe Bilder kaufen Männer ab 50.“ Der Grund: „Die kommen damit besser über den Winter.“ Kuno Gonschiors Punkt- und Fleckenrhapsodien als ein (Über-)Lebensmittel: Das bleibt auch über seinen Tod hinaus erhalten.