Bochum. .

Im zweiten Jahr der Goerden-Intendanz sorgten junge Regisseurinnen für positive Schlagzeilen

Die zweite Spielzeit der Intendanz von Elmar Goerden wird als die Saison des Drei-Mäderl-Hauses in die Annalen eingehen. Plötzlich glänzten drei junge Regisseurinnen mit Inszenierungen, die bei Kritik und Publikum mit viel Beifall bedacht wurden. Die Goerden-Intendanz schien endlich in Fahrt zu kommen - woran der Theaterleiter zu diesem Zeitpunkt allerdings ziemlich unbeteiligt war. Wieder die Hoffnung, dass Elmar Goerden einem klassischen Stoff neue Lichter aufsetzen würde. Zur Spielzeiteröffnung 2006/07 hatte des Intendanten Deutung von Ibsens „Rosmersholm“ Premiere. Und obwohl die zentralen Rollen mit Markus Boysen und Imogen Kogge glänzend besetzt waren, erging sich Goerden in einem konventionellen Regiestil, der wenig wagte, mehr Museum als Moderne. Schade, das Publikum zeigte sich um ein weiteres Mal enttäuscht. Die zurückhaltende Stimmung wurde sogar noch bestärkt, als Goerden das wortkarge Stück „Da kommt noch wer“ von Fosse allzu sehr ans Boulevardeske vergab.

Enthusiastische Zuschauer

Wie anders, wie enthusiastisch reagierten die Zuschauer auf Kleistens „Penthesilea“; jenes sperrige Sprachgebirge, das die junge Regisseurin Lisa Nielebock mit großer Sinnlichkeit auf die Bühne gebracht hatte. Die Rolle der Amazonenkönigin erfüllte Lena Schwarz mit einer magischen Intensität, bei der mit einem Schlag das Ausnahmetalent der jungen Schauspielerin deutlich wurde.

Höhepunkt der Saison 2006/07: Kleistens „Penthesilea“ mit Lena Schwarz in der Titelrolle.
Höhepunkt der Saison 2006/07: Kleistens „Penthesilea“ mit Lena Schwarz in der Titelrolle. © WAZ

Jörinde Dröse inszenierte im Gegensatz Nielebock, die wenig dem Zufall überlies, eher wie ein Sturmgewitter auf der Bühne, einfallsreich und vital. „Endstation Sehnsucht“ mit Martin Rentzsch als Kowalski: Da dachte niemand wehmütig an die Verfilmung mit Marlon Brando zurück. Dröse gelang es, den Zusammenstoß zwischen vermeintlich Kultiviertem und der proletarischen Impulsivität aus dem Hollywoodschen Himmel in die Niederungen des Ruhrpotts herunter zu holen: ohne die Durchschlagskraft der Vorlage dadurch zu mindern.

„Gespenst von Canterville“ als Publikumshit

Tina Lanik war die dritte im Bunde während dieser Spiezeit: Sie lieferte eine Deutung von Lessings „Emilia Galotti“ ab, die mit Geschick den alten Stoff nach aktuellen Parallelen untersuchte. Manche fanden Hanna Scheibe in der Titelrolle als zu blass, auf der anderen Seite passte sich diese Rollenanverwandlung harmonisch in den eher zurückhaltenden Inszenierungsstil von Tina Lanik ein. Nielebock, Dröse und Lanik: es war eine Lust, ihren Regieeinfällen zuzuschauen. Und eigentlich gehört auch Martina van Boxen dazu, der mit der überragenden jungen Schauspielerin Johanna Sembritzki eine Deutung des Anne-Frank-Tagebuchs gelang, die den Atem stocken ließ. Den Publikumshit der Saison bildete indessen das Familienstück zur Vorweihnachtszeit: „Das Gespenst von Canterville“ nach Oskar Wilde. Gezeigt wurde eine überdrehte, beinahe das Absurde schrammende Version der alten Geschichte vom Geist, den keiner ernst nimmt. Die Steppkes hatten daran ebenso ihr Vergnügen wie die sie begleitenden Erwachsenen. „Das Gespenst von Canterville“ wurde gespielt und gespielt und gespielt; und wenn es nicht gestorben ist...

Dem Unterhaltsamen wurde im übrigen kräftig Tribut gezollt: das begann mit der „Au-Schau“ mit Michael von Au und seinen Entertainer-Qualitäten, setzte sich fort mit Feydeaus „Floh im Ohr“ mit Burghart Klaußner in der bekannten Doppelrolle und endete mit „Der Gott des Gemetzels“ von Yasmina Reza. Den wenig diskreten Charme der Bourgeoisie inszenierte im übrigen Burghart Klaußner - flott und pfiffig.